Kirche, Kultur und Politik kritisieren Berliner Opern-Absetzung

Die "Verbotene Oper"

Die Absetzung einer Mozart-Oper in Berlin aus Angst vor islamistischen Anschlägen wird von Vertretern aus Kultur und Politik scharf kritisiert. "Wenn die Sorge vor möglichen Protesten schon zur Selbstzensur führt, dann gerät die demokratische Kultur der freien Rede in Gefahr", mahnte Kulturstaatsminister Bernd Neumann am Dienstag.

 (DR)

Die Absetzung einer Mozart-Oper in Berlin aus Angst vor islamistischen Anschlägen wird von Vertretern aus Kultur und Politik scharf kritisiert. "Wenn die Sorge vor möglichen Protesten schon zur Selbstzensur führt, dann gerät die demokratische Kultur der freien Rede in Gefahr", mahnte Kulturstaatsminister Bernd Neumann am Dienstag. Zuvor hatte bereits Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Absetzung als "verrückt" bezeichnet. "In Deutschland hat die Kapitulation vor dem Islam schon lange stattgefunden", meint der Buchautor und Journalist Henryk M. Broder im domradio-Interview. Bischof Gebhard Fürst warnt im domradio-Interview davor, dem Diktat der Sorge vor Gewalt nachzugeben. Kardinal Lehmann äußert Verständnis für die Absetzung.

Kritik vom Deutschen Kulturrat und der Politik
Die Mozart-Oper "Idomeneo" handelt vom Aufstand des Menschen gegen die Götter. Im Epilog der Inszenierung tritt Idomeneo, der König von Kreta, mit einem blutigen Sack auf die Bühne. Daraus zieht er die enthaupteten Köpfe von Poseidon, Jesus, Buddha und Mohammed hervor.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sprach von einer "absolut unverständlichen und zutiefst beängstigenden Entscheidung" der Deutschen Oper Berlin. "Gerade solch gut abgesicherte Einrichtungen wie Opernhäuser sollten ein Vorbild sein und sich für die Freiheit der Kunst einsetzen", sagte er dem epd.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kritisierte die Entscheidung als falsch. Eine „konkrete Gefährdung, die die Absetzung der Oper rechtfertigt", sei nicht zu erkennen. Islamische Verbände zeigten sich in ihren Reaktionen uneinheitlich.

Der Grünen-Politiker Volker Beck zeigte Verständnis für die Absage. Auseinandersetzungen über Kunst dürften jedoch nicht mit Gewalt geführt werden. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) mahnte, „wenn die Sorge vor möglichen Protesten schon zur Selbstzensur führt, dann gerät die demokratische Kultur der freien Rede in Gefahr".

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sprach von einer „Kapitulation in vorauseilendem Gehorsam".

Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, sagte der „Netzeitung", die umstrittene Opernszene hätte die religiösen Gefühle von Muslimen verletzt. Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, rief dagegen Muslime zur Toleranz auf:
„Kunst muss frei sein", wird Kolat in der „Netzeitung" zitiert.

Lehmann zeigt Verständnis für Opern-Absetzung
Kardinal Karl Lehmann dagegen hat Verständnis für die Absetzung der Mozart-Oper gezeigt. Man müsse der Intendanz der Deutschen Oper Glauben schenken, dass die Absetzung aus Sicherheitsgründen notwendig gewesen sei, sagte Lehmann am Mittwoch am Rande der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda. Der Konferenz-Vorsitzende sprach von einem "erschütternden Ereignis". Dass wir so weit gekommen seien, zeige, wie hochgradig die Gefährdung sei.

Schuld für Absetzung waren "ernst zu nehmende Hinweise"
Der Sprecher der Kultursenatsverwaltung, Torsten Wöhler, nahm die Deutsche Oper in Schutz. Angesichts "ernst zu nehmender Hinweise" für eine Gefährdung der Sicherheit von Mitarbeitern und Besuchern gehe die Absetzung "völlig in Ordnung".

Die Deutsche Oper hatte am Montag auf eine Gefährdungsanalyse des Berliner Landeskriminalamts (LKA) verwiesen. Darin seien die Sicherheitsbehörden zu dem Ergebnis gekommen, dass "Störungen der Aufführungen nicht ausgeschlossen werden können", sagte ein LKA-Sprecher. Es habe aber keine konkrete Terrordrohung gegen die Oper vorgelegen.

Auch Regisseur spricht von "vorauseilendem Gehorsam"
"Wenn es in solchen Fällen konkrete Hinweise für eine Gefährdung geben sollte, wäre es Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass eine Aufführung möglich ist", so Kulturrats-Geschäftsführer Zimmermann weiter. Zugleich befürchtete er weit reichende Auswirkungen, sollte das Beispiel der Absetzung Schule machen: "Sollen wir demnächst alle Bibliotheken durchforsten und möglicherweise Anstoß erregende Bücher entfernen?"

Auch der Regisseur der Inszenierung, Hans Neuenfels, sprach im NDR-Hörfunk von "Hysterie" und "vorauseilendem Gehorsam". Die Produktion aus dem Jahr 2003 war zuletzt 2004 präsentiert worden und sollte im November wieder in den Spielplan aufgenommen werden.
Bereits bei der Premiere hatte es Proteste gegeben.
(epd,ddp,dr)