Opposition spricht von "Gesundheitsmurks" - Verfassungsgericht zweifelt Punkte der Reform an

Heftige Kritik an der Gesundheitsreform

Die Gesundheitsreform der großen Koalition steht weiterhin im Kreuzfeuer der Kritik. Der Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes, Helge Sodan, hält Eckpunkte des Kompromisses für nicht verfassungsgemäß. FDP-Chef Guido Westerwelle spricht von "purer Planwirtschaft" und "Gesundheitsmurk".

 (DR)

Die Gesundheitsreform der großen Koalition steht weiterhin im Kreuzfeuer der Kritik. Der Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes, Helge Sodan, hält Eckpunkte des Kompromisses für nicht verfassungsgemäß. FDP-Chef Guido Westerwelle spricht von "purer Planwirtschaft" und "Gesundheitsmurk". Auch die Kommentatoren der Tageszeitungen lassen kein gutes Haar an der Reform. - Bundesarbeitsminister Franz Müntefering fordert Konsequenzen aus dem Koalitionsstsreit. Roland Koch und Christian Wulff verteidigten den Gesundheits-Kompromiss.

Wulff: "Weitreichende Gesundheitsreform"
Die große Koalition habe Handlungsfähigkeit bewiesen, betonten die Regierungschefs beider Länder, in denen 2008 neue Landtage gewählt werden. Wulff sprach am von einer "weitreichenden Gesundheitsreform", die wichtige Anliegen seines Landes berücksichtige. Ausdrücklich zu begrüßen sei, dass die Krankenkassen nun ausreichend Zeit zum Ausgleich der Defizite hätten.

Koch hob ferner hervor, dass ein "Einstieg in ein prämienorientiertes Gesundheitssystem" erreicht worden sei. Hessen stimme dem Gesundheitskompromiss zu und werde bei der weiteren Umsetzung konstruktiv mitwirken, erklärte Koch in Wiesbaden.

Müntefering mahnt Disziplin aller Koalitionspartner
In einem Zeitungsinterview sagte Vizekanzler Franz Müntefering: „Der Streit zeigt, wie es bei künftigen Reformen nicht laufen sollte." Die Koalition habe noch schwierige Projekte vor sich wie die Rentenreform, das Thema Mindest- und Kombilohn oder die Unternehmensteuerreform. „Es wäre schön, wenn das nicht immer Nachtsitzungen würden", betonte Müntefering.

Ohne die CSU zu nennen, mahnte er Disziplin aller Koalitionspartner an. „Die Koalition besteht nun mal aus drei Parteien - da hilft es nicht, wenn nur zwei sich einigen und die dritte nicht mitmacht", sagte der Vizekanzler. Es dürfe nicht sein, dass „Parteiinteressen Priorität haben".

Sodan glaubt an Unvereinbarkeit mit Grundgesetz
„Ich bin der Überzeugung, dass zentrale Punkte nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind", sagte der Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes, Helge Sodan, der „Thüringer Allgemeinen". Dazu zähle der Basistarif, den die Privaten Krankenversicherungen anbieten müssen, sowie die Beschränkung der beitragsfreien, teilweise steuerfinanzierten Versicherung auf die Kinder gesetzlich Versicherter.

DAK-Chef Herbert Rebscher rechnet mit Nachbesserungen am Gesundheitskompromiss. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Kompromiss das Parlament unverändert passieren werde, sagte der Chef der zweitgrößten Krankenkasse Deutschlands der „Berliner Zeitung". Er verwies außerdem darauf, dass Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) schon angekündigt habe, man müsse mit Blick auf den konkreten Gesetzentwurf die Dinge noch einmal diskutieren.

Westerwelle: "Pure Planwirtschaft"
Die Reform sei „pure Planwirtschaft", „Gesundheitsmurks" und ein „Artenschutzprogramm für bedrohte Unions-Größen", schreibt FDP-Chef Guido Westerwelle in einem Beitrag für die „Bild"-Zeitung. Leider habe die Bundesregierung ein Gesundheitssystem beschlossen, das die Gesundheitsversorgung der Bürger „vereinheitlicht, verstaatlicht, zentralisiert". Der FDP-Vorsitzende versicherte, der geplante Gesundheitsfonds und die für den Einzug der Krankenkassenbeiträge vorgesehene Behörde würden wieder abgeschafft, wenn die FDP wieder Verantwortung tragen sollte.

Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem sagte der „Sächsischen Zeitung": „Spätestens Ende 2007, Anfang 2008 wird man sehen, dass der durchschnittliche Beitragssatz weiter steigen wird." Eines der zentralen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung sei die strukturelle Einnahmeschwäche, die durch diese Reform nicht gelöst werde.
(ddp,dr)