Sonntag: Ehrung für Mikrokredit-Bank Grameen aus Bangladesch

Friedensnobelpreis für Mohammed Yunus

Der diesjährige Friedensnobelpreis wurde am Sonntag in Oslo an den Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus und die von ihm gegründete Entwicklungsinitiative "Grameen Bank" überreicht.
Damit würdigte das Nobelkomitee die Bemühungen des 66-Jährigen um "wirtschaftliche und soziale Entwicklung von unten" in Bangladesch und anderen Entwicklungsländern. Die renommierte Auszeichnung ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert. Im vergangenen Jahr wurde die Internationale Atomenergiebehörde mit ihrem Leiter Mohamed El Baradei geehrt.

 (DR)

Gewürdigt werden Yunus Bemühungen um die Bekämpfung der Armut und die Stärkung der Rolle der Frauen. „Jeder Mensch in der Welt hat das Recht auf ein würdiges Leben" sagte ein Sprecher des verleihenden Komitees. Mathias Peter portraitiert den Preisträger. Volker Greulich vom Internationalen Kolpingwerk stellt im domradio-Interview das System der Kleinkredite vor und würdigt die Pionierarbeit Yunus.

Die in den 70er Jahren gegründete „Barfuß-Bank" vergibt Klein- und Kleinstkredite an die Ärmsten der Armen, die oft über keinerlei Sicherheiten verfügen. Sie müssen sich zur Einhaltung von Regeln und zur gegenseitigen Hilfe verpflichten. Dies galt als revolutionäres Konzept in der Entwicklungshilfe. 90 Prozent der heute 5,3 Millionen Kreditnehmer sind Frauen. Die Darlehen betragen oft nur umgerechnet 30 Euro. Die Rückzahlungsquote gilt als sehr hoch.

Grameen wurde zum Vorbild für viele ähnliche Institutionen weltweit und die Entwicklungsstrategien der Weltbank. Die Vereinten Nationen hatten 2005 zum Jahr des Mikrokredits erklärt. Der 1940 geborene Ökonom Yunus arbeitet auch an der Ausweitung des Konzepts auf Klein-Versicherungen. Er wendet sich gegen Almosen an Arme und hebt ihre Verantwortungsbereitschaft und Tatkraft hervor. In einem Interview legte er auch deutschen Banken nahe, Arbeitslosen Kredite zu gewähren.

Der Preis ist mit rund 1,1 Millionen Euro dotiert und wird am 10. Dezember verliehen. Im vergangenen Jahr wurde die Internationale Atomenergie-Organisation und ihr Generaldirektor Mohammed El Baradei mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Kardinal Lehmann gratuliert Yunus zum Friedensnobelpreis
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, hat dem Yunus zum Friedensnobelpreis gratuliert. "Wir alle verdanken Ihnen ein großartiges menschliches Zeugnis und wichtige Anregungen für unsere Arbeit", erklärte der Kardinal am Freitag in seinem Glückwunschschreiben an den Gründer der Grameen Bank, die Kleinkredite an die Ärmsten der Armen vergibt.

Seit vielen Jahren gebe es eine intensive Kooperation zwischen Yunus und der katholischen Kirche in Deutschland, so Lehmann. Yunus zeichne ein "visionärer Mut" aus. Er wolle "die Armut in den Entwicklungsländern nicht nur lindern, sondern ausrotten".

Kirche sieht Nobelpreisauszeichnung als "sehr gute Nachricht"
Die katholische Kirche hat die Vergabe des Friedensnobelpreises an die Grameen Bank und Muhammad Yunus als "sehr gute Nachricht" bezeichnet. Yunus sei eine "sehr beeindruckende Gestalt", die sich für die Frauen in Bangladesch eingesetzt, ihnen bei der Selbstorganisation geholfen und ihnen somit die Würde wiedergegeben habe, sagte der Präsident der Konferenz der Europäischen Kommissionen "Justitia et Pax" (Gerechtigkeit und Frieden), der Trierer Weihbischof Leo Schwarz, am Freitag am Anfrage. Yunus stehe für die Botschaft, dass "kleine Leute kreditwürdig sind". Die Verleihung des Nobelpreises sei die "Anerkennung eines Lebens für die Armen, eines Lebens für die Wertschätzung ihrer Würde und ihrer Fähigkeiten".

Yunus habe bereits vor mehr als 30 Jahren nachvollzogen, warum Menschen, vor allem Frauen arm seien. Sie würden von zentralen wirtschaftlichen Institutionen ausgeschlossen und als "nicht bankfähig" angesehen, so Schwarz, der Yunus seit langer Zeit persönlich kennt. Die Grameen Bank habe wesentlich dazu beigetragen, dass sich diese Sicht verändert habe. Schwarz würdigte, dass es mittlerweile zahlreiche professionelle Mikrofinanzinstitutionen gebe, die ähnlich wie die Grameen Bank einen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisteten.

Auch Misereor begrüßt Nobelpreisvergabe
Auch das Bischöfliche Hilfswerk Misereor hat die Vergabe des Friedensnobelpreises. Mit der Auszeichnung werde gewürdigt, dass "die Armen Subjekte ihrer eigenen Entwicklung und des gesamten wirtschaftlichen Leben" seien, sagte Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon am Freitag auf Anfrage in Aachen. Der Erfolg der Grameen Bank zeige, dass sich Investitionen in die Armen lohnten. Zugleich betonte Bröckelmann-Simon, dass die Bedeutung von Frauen für den Entwicklungsprozess eines Landes unterstrichen werde. Für die Entwicklungshilfe sei es immer entscheidend, die Wirtschaftsfähigkeit der Armen in den Mittelpunkt zu stellen.

Der Friedensnobelpreis - Geschichte und Preisträger
Der Friedensnobelpreis wird jedes Jahr am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, in Oslo verliehen. Die von dem schwedischen Industriellen und Erfinder Nobel (1833-1896) gestiftete Auszeichnung ist derzeit mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert. Ein aus fünf Mitgliedern bestehender Ausschuss des norwegischen Parlaments wählt den Preisträger aus.

Neben Einzelpersonen können auch Organisationen, die sich um den Frieden oder die Menschenrechte verdient gemacht haben, den Preis erhalten. Der Einsatz für Umwelt und Entwicklung wird seit 2004 bei der Preisvergabe berücksichtigt.

Die ersten Preisträger waren 1901 der Gründer des Roten Kreuzes, Henri Dunant (1828-1910) und der französische Humanist und Politiker Frederic Passy (1822-1912). Unter den mehr als 100 bisherigen Preisträgern sind zahlreiche Politiker und Staatsmänner, wie der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt (1971) und der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow (1990). 1994 ging der Preis an die Nahost-Politiker Jassir Arafat, Schimon Peres und Yitzhak Rabin.

Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurde der Friedensnobelpreis nicht verliehen. Ausnahmen waren die Jahre 1917 und 1944, in denen das Internationale Rote Kreuz ausgezeichnet wurde.

Es wurden auch Bürgerrechtler ausgezeichnet, die gegen Unterdrückung kämpften, darunter der schwarze US-Amerikaner Martin Luther King (1964), der russische Dissident Andrej Sacharow (1975) und die birmanische Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi (1991). Auch Religionsvertreter wurden ausgezeichnet, darunter die Ordensschwester Mutter Teresa (1979), der südafrikanische Bischof Desmond Tutu (1984) und das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama (1989).

Zu den preisgekrönten Organisationen zählen das Kinderhilfswerk UNICEF (1965), amnesty international (1977), Ärzte ohne Grenzen (1999) und die Vereinten Nationen (2001, zusammen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan). Als erste Frau erhielt die Schriftstellerin und Pazifistin Bertha von Suttner 1905 den Friedensnobelpreis.
(epd,kna,ddp)