Das Urteil zu den Berliner Finanzen belebt die Diskussion über Schuldenabbau und Finanzreformen

Wege aus der bundesdeutschen Schuldenfalle

Politiker von Bund und Ländern suchen angesichts der Ablehnung der Berliner Verfassungsklage auf zusätzliche Finanzhilfen nach Wegen zum Schuldenabbau. Die Bundesregierung kündigte am Freitag als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts an, per Gesetz eine hohe Verschuldung zu verhindern.

 (DR)

Politiker von Bund und Ländern suchen angesichts der Ablehnung der Berliner Verfassungsklage auf zusätzliche Finanzhilfen nach Wegen zum Schuldenabbau. Die Bundesregierung kündigte am Freitag als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts an, per Gesetz eine hohe Verschuldung zu verhindern. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller erklärte, sein Land halte an der Klage auf Finanzhilfen fest. Grüne und Union in Berlin forderten verstärkte Sparanstrengungen. Hören Sie hier die domradio-Presseschau zu dem Thema.

Henkel erwartet Impulse für die zweite Stufe der Föderalismusreform
Der ehemalige Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, sagte, er erwarte von der Entscheidung Impulse für die zweite Stufe der Föderalismusreform. Die Karlsruher Richter hatten am Donnerstag die Forderung Berlins nach zusätzlichen Finanzhilfen zum Abbau seiner Haushaltsprobleme abgelehnt, da das Land seine Konsolidierungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft habe.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Barbara Hendricks (SPD), sagte, ein Bundesgesetz solle regeln, wie besonders schwierige Haushaltslagen verhindert werden können. „Dazu müssen wir eindeutige Verschuldungsgrenzen definieren und die Verletzung der Vorgaben mit Sanktionen ahnden", sagte sie. Ein Verschuldungsverbot lehnte Hendricks ab. „Das würde bedeuten, dass man auch in tatsächlich besonderen Situationen sich als Staat nicht mehr handlungsfähig zeigen könnte", sagte sie. Die Finanzautonomie der Länder und des Bundes müsse gewahrt werden. „Deshalb sind radikale Vorschläge, wie zum Beispiel ein generelles Verschuldungsverbot, ungeeignet", sagte Hendricks. Hendricks sprach sich zudem dafür aus, die Fusion der Länder Berlin und Brandenburg voranzutreiben.

Müller verweist auf "Erosion der öffentlichen Finanzen"
Müller betonte, anders als in Berlin bestehe im Saarland weiter eine Haushaltsnotlage. Zwar sei sein Land Wachstumsspitzenreiter. Die Effekte einer früheren Teilentschuldung seien aber aufgefressen worden von der Erosion der öffentlichen Finanzen. Müller verwies darauf, dass sein Land die niedrigsten nichtgebundenen Pro-Kopf-Ausgaben aller Bundesländer aufweise.

Henkel sagte, das Bundesverfassungsgericht werde mit seiner aktuellen Entscheidung dazu beitragen, die Diskussion um die Reform der Finanzverfassung zu befördern. Deutschland brauche eine neue Finanzverfassung, den Wettbewerb unter den Ländern und vor allem aber auch eine Reduzierung der Macht der Parteien.

"Schluss mit Party - jetzt ist mal harte Arbeit angesagt"
Die Fraktionschefin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Franziska Eichstädt-Bohlig, nannte als Einsparmöglichkeit für die Hauptstadt die öffentliche Verwaltung. Außerdem sollten Wohnungen veräußert werden. „Unsere Mindestforderung ist, soviel Wohnungen zu verkaufen, dass die städtischen Wohnungsunternehmen kostendeckend wirtschaften können", sagte sie. Zudem müsse die Gewerbesteuer von jetzt 410 Hebesatzpunkten auf 470 angehoben werden. Sparen bei Kultur und Wissenschaft gefährde dagegen die Zukunft Berlins. Eine Fusion zwischen Berlin und Brandenburg sei zurzeit kein Thema mehr.
Der Generalsekretär der Berliner CDU, Frank Henkel, forderte den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zu verstärkten Anstrengungen auf. „Das Urteil von Karlsruhe ist ein eindeutiges Signal an Herrn Wowereit: Schluss mit Party - jetzt ist mal harte Arbeit angesagt", sagte er.

Trotz der verlorenen Klage wird sich die Kreditwürdigkeit des Landes Berlin zunächst nicht weiter verschlechtern. Die Rating-Agentur Moody's kündigte nach Informationen der „Berliner Zeitung" (Freitagausgabe) an, dass sie ihr Rating für die Bundeshauptstadt unverändert auf der vierthöchsten Stufe AA3 belassen werde. „Das Land befindet sich noch nicht in einer ernsthaften finanziellen Situation", sagte Moody's-Analyst Massimo Visconti. Bei Moody's wurde Berlin allerdings schon vor dem Urteil mit der Bonitätsstufe AA3 bewertet. Das Land Brandenburg bringt es bei Moody's auf die höhere Bonitätsstufe AA2. Der Bund genießt die höchste Stufe AAA.
(ddp,dr)