Studie beziffert Kosten der klimapolitischen Untätigkeit

Klimawandel führt zur Weltwirtschaftskrise

In einem 700-Seiten-Report für die britische Regierung, der am Montag veröffentlicht wurde, rechnet der frühere Weltbank-Chefökonom Sir Nicholas Stern vor, dass die Erderwärmung zwischen fünf und zwanzig Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts kosten würde. 1 Prozent des jährlichen Bruttosozialprodukts wären notwendig, um die katastrophale Entwicklungen des globalen Klimawandels abzuwenden.

 (DR)

In einem 700-Seiten-Report für die britische Regierung, der am Montag veröffentlicht wurde, rechnet der frühere Weltbank-Chefökonom Sir Nicholas Stern vor, dass die Erderwärmung zwischen fünf und zwanzig Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts kosten würde. 1 Prozent des jährlichen Bruttosozialprodukts wären notwendig, um die katastrophale Entwicklungen des globalen Klimawandels abzuwenden. Hören Sie im domradio-InterviewJohn Hay, den Pressesprecher des Klimasekretariats der Vereinten Nationen in Bonn. Er fordert drastische Emissionsreduzierungen von 60 bis 80 Prozent bis zum Jahr 2050.

"Nicht zu handeln wird teuer"
Den Klimawandel zu ignorieren, koste deutlich mehr als aktiven Klimaschutz zu betreiben, so Stern. Die momentane Ignoranz werde dem Wirtschaftswachstum schaden. "Wird nicht schnell etwas getan, bestehen in diesem und dem nächsten Jahrhundert Risiken für Wirtschafts- und Sozialwesen-Dürren, Überschwemmungen, Hungersnöte und Völkerfluchten. Die Folgen dieser Katastrophen können die größte Rezession seit dem Wall-Street-Crash 1929 und der folgenden Großen Depression auslösen."

Katastrophe kann verhindert werden
Die Katastrophe, so Stern, könnte man abwenden, würde rund ein Prozent des globalen Bruttosozialprodukts oder 350 Milliarden Dollar in Maßnahmen investiert, die die Treibhausgas-Emissionen drastisch reduzieren. Stern gilt allgemein als anerkannter Mainstream-Ökonom. Der sorgfältig vorbereitete Bericht umfasst die Periode bis 2100 und wird als die bislang gewichtigste Abschätzung zu den Kosten von Klimaschutz und Klimaschäden eingeschätzt.

Der britische Regierungschef Tony Blair rief bei der Vorstellung des Berichts zu mutigem Handeln auf. Er will darauf drängen, dass auf der UN-Klima-Konferenz in Nairobi kommende Woche ein Nachfolge-Abkommen zu Kyoto angestoßen wird. Sein Schatzkanzler Gordon Brown, der den Stern-Report in Auftrag gab, regte an, den Ausstoß von Treibhausgasen innerhalb der EU bis 2020 um 30 Prozent und bis 2050 um 60 Prozent zu senken. Darüber hinaus will er den Emissionshandel globalisieren.

USA unter Zugzwang
Größter Umweltverschmutzer sind nach einem Bericht der UNO nach wie vor die USA. Die US-Argumente gegen ernsthaften Klimaschutz können aber mit dem Stern-Report als entkräftet gelten. Zwei Argumente hatte die jetzige US-Regierung vorgebracht. Die Klimawissenschaft sei noch zu ungesichert, war das eine. Im letzten Jahr, auf dem G8-Gipfel in UK, räumte Präsident Bush erstmals öffentlich ein, dass die wissenschaftliche Evidenz für den Klimawandel überwältigend ist. So blieb noch das zweite Argument, um Handeln zu blockieren: Ernsthafter Klimaschutz schade der Wirtschaft.

Deutschland muss beim Emmissionshandel nachbessern
Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, kommentiert:
"Mit dem Bericht kommt jetzt die Zeitumstellung im Klimaschutz - es beginnt eine neue Ära der ökonomischen Bewertung des Klimawandels. Der Stern Report bahnt damit dem UN-Klimagipfel in Nairobi Anfang November, den Weg zu entschiedenem Handeln. Er sollte gleichzeitig für die Bundesregierung Anlass sein, den Allokationsplan für den Emissionshandel ab 2008 deutlich im Sinne des Klimaschutzes nachzubessern."

Uno: wenig Erfolg bei Reduzierung der Treibhausgase
Nach Zahlen der Vereinten Nationen, die Montag in Bonn publiziert wurden, ging der Kohlendioxidausstoss in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten nur in wenigen Industriestaaten zurück. Deutschland drosselte die Emissionen von 1990 bis 2004 demnach um 17 Prozent, Grossbritannien um 14 Prozent und Frankreich um knapp ein Prozent.
Von 2000 bis 2004 wurde in 41 Industriestaaten insgesamt ein Anstieg um 2,4 Prozent verzeichnet. Insbesondere ehemalige Sowjetrepubliken, deren Wirtschaft sich seit dem Niedergang in den Neunzigerjahren erholt habe, sind nach Einschätzung der Vereinten Nationen dafür verantwortlich.

Die Transportwirtschaft hat in besonderem Maße zu den Emissionen beigetragen. Der Ausstoß in diesem Sektor ist um fast 24 Prozent gestiegen. 1995 hatte sich der europäische Automobilherstellerverband ACEA verpflichtet, die Schadstoffe bis 2008 um 25 Prozent zu verringern.
John Hay, Pressesprecher vom Klimasekretariat der UN in Bonn fordert drastische Emissionsreduzierungen von 60 bis 80 Prozent bis zum Jahr 2050. Interview hören


PKW sollen CO2 Ausstoß reduzieren
Im Frühjahr 2007 will die EU Bilanz ziehen, ob die Industrie ihre Selbstverpflichtung einhalten kann, den Ausstoß von Kohlendioxid bei neuen Autos bis 2008 auf durchschnittlich 140Gramm pro Kilometer zu beschränken. „Wenn sie das nicht schafft, muss man das Instrument in Frage stellen", so Umweltminister Gabriel. „Dann werden wir nicht umhin kommen gesetzliche Vorgaben zu machen."
Wie jeder Autofahrer heute schon umweltschonend fahren kann, erläutert der Verkehrsexperte von Greenpeace, Günther Hubmann.