EU-Kulturminister beschließen: Essen ist Kulturhauptstadt 2010

Ein starkes Stück Deutschland

 (DR)

Jetzt ist es offiziell: Ein starkes Stück Deutschland wird europäische Kulturhauptstadt 2010. Die EU-Kulturminister beschlossen am Montag in Brüssel, dass Essen und das Ruhrgebiet zusammen mit dem ungarischen Pecs den begehrten Titel tragen dürfen. Auch Istanbul wird laut Beschluss 2010 Kulturhauptstadt sein, und zwar in der Rubrik der Nicht-EU-Staaten.

Rüttgers und Kirche begeistert
Die Minister folgten damit der Entscheidung der EU-Jury vom April. Sie hatte im Frühjahr der Revier-Stadt den Vorzug vor dem deutschen Mitbewerber Görlitz gegeben. Essen will das Ruhrgebiet in seine Aktivitäten für das Kulturhauptstadt-Programm einbeziehen. 52 Kommunen sollen an dem Programm beteiligt werden.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) äußerte sich nach Bekanntgabe der Entscheidung begeistert: Erstmals habe sich in der fast 20-jährigen Geschichte des Wettbewerbs eine Stadt stellvertretend für eine ganze Region beworben. Nun werde das Ruhrgebiet "neue und bedeutende Impulse für die europäische Dimension des Kulturhauptstadt-Projektes" geben können, so Rüttgers. Wichtig sei vor allem das Thema Integration und Dialog der Kulturen, bei dem das Ruhrgebiet anderen Regionen im Wandel Ideen geben könne.

Zum künftigen Städteverbund "Kulturhauptstadt" gehören 11 Städte,
41 Gemeinden und 4 Kreise. Sie stellen sich unter dem Titel "Essen für das Ruhrgebiet" den Herausforderungen des Jahres 2010. Kohle und Stahl haben mehr als ein Jahrhundert lang das Gesicht der Region geprägt. Eine Ära, in der das Gebiet zwischen Emscher, Ruhr und Lippe zu einem gigantischen Industrieareal zusammenwuchs. Wo früher Hunderttausende malochten, ist heute Brache. Werkshallen stehen verlassen zwischen wucherndem Gras, ausgehöhlte Stahlwerke erinnern an Gerippe von Dinosauriern. Vieles ist erhaltenswert, manches schon zum Industriedenkmal erkoren und restauriert oder einer neuen Bestimmung zugeführt.

Herausforderungen und Chancen
Die Zeche Zollverein steht sogar auf der Liste des Weltkulturerbes. Mit seinen Verwaltungsgebäuden im Bauhausstil und seinen Produktionshallen, die in ihrer Anordnung an barocke Schlossanlagen erinnern, steht dieses einst größte Steinkohlenbergwerk Europas heute kulturell auf einer Ebene mit dem Eiffelturm oder der Akropolis. Zollverein ist eine internationale Begegnungsstätte für große Kulturprojekte und beherbergt Ausstellungsräume, ein Tanztheater und ein Museum. Die Zeche ist Prestigeobjekt des Ruhrgebiets und nur ein Beispiel für die Bewältigung des Strukturwandels dieser Region, die sich nach dem Untergang der Schwerindustrie neu erfinden muss.

Eine andere Aufgabe, der sich viele gesellschaftliche Gruppen und auch die Kirchen widmen, ist die Förderung der so genannten Interkultur im Ruhrgebiet. Die Zuwanderung hunderttausender Arbeitskräfte und ihrer Familien aus allen Teilen Europas hat eine multikulturelle Gesellschaft geschaffen. Und die Einwanderung geht weiter. 2010 werden wohl die Hälfte der hier lebenden Kinder und Jugendlichen ausländischer Herkunft sein. Die schrumpfende Bevölkerungszahl verstärkt den Wandel zudem. Von existenzieller Bedeutung ist das Zusammenwachsen der unterschiedlichen Lebenswelten und Identitäten sowie ein gemeinsames Verständnis darüber, wie die mehr als fünf Millionen Bewohner der Region im 21. Jahrhundert zusammenleben wollen.

Zur Vorbereitung und Durchführung des Kulturhauptstadt-Programms stehen 48 Millionen Euro zur Verfügung. 18 Millionen Euro davon entfallen auf die Bewerberstadt und die Region, vertreten durch den Regionalverband Ruhr. Der Rest soll durch Stiftungen, Land und Bund für projektbezogene Mittel fließen oder bei der regionalen und nationalen Wirtschaft eingeworben werden. Das dürfte für eine Region kein Problem sein, in der ein gutes Dutzend der 100 größten Unternehmen Deutschlands beheimatet ist.