Papstreise vor Hintergrund von Spannungen zwischen EU und Türkei

"Herausfordernder Augenblick"

Die Türkei-Reise von Papst Benedikt XVI. fällt in eine schwierige Zeit im Verhältnis der EU zu Ankara. Die Sprecherin von Erweiterungskommissar Olli Rehn spricht von einem "herausfordernden Augenblick", den die EU und die Türkei derzeit zu bewältigen hätten. Immerhin ist nicht ganz ausgeschlossen, dass die vor gut zwölf Monaten begonnen EU-Beitrittsverhandlungen zum Jahresende auf Eis gelegt werden. Das Thema steht ganz oben auf dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Mitte Dezember in Brüssel. Bis dahin aber wird noch verhandelt.

 (DR)


Problem Zypern
Probleme macht der EU, dass die Türkei bislang immer noch nicht bereit ist, Zypern anzuerkennen. Damit versperrt sie auch zyprischen Schiffen und Flugzeugen den Zugang zu ihren Häfen und Flughäfen. Ob es der finnischen EU-Präsidentschaft gelingt, einen Kompromiss zu finden, ist noch offen. Weil für den Fortgang der Verhandlungen Einstimmigkeit erforderlich ist, könnte Zypern die Gespräche blockieren. Gegenwärtig ist die Weigerung Ankaras, die EU als Gemeinschaft von 25 und nicht nur von 24 Staaten anzuerkennen, der größte Stolperstein auf dem Weg zu einem möglichen Beitritt. Doch Menschenrechtsfragen, darunter die Religionsfreiheit, beschäftigen die EU-Institutionen nicht minder.

Rehns Sprecherin Krysztina Nagy betont, die Vertretung der EU-Kommission in der Türkei werde auch den Papstbesuch genau im Auge behalten. Und sehr genau wolle Kommissar Rehn prüfen, wie das neue Gesetz über religiöse Stiftungen in die Praxis umgesetzt wird. Das Anfang November im türkischen Parlament gebilligte Gesetz, das noch von Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer unterzeichnet werden muss, könnte zahlreiche Probleme der religiösen Minderheiten lösen, so die Hoffnung der EU-Kommission. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass enteignetes Eigentum unter bestimmten Bedingungen an nichtmuslimische Religionsgemeinschaften zurückgegeben werden kann.

Denn aus EU-Sicht ist es um die Religionsfreiheit in der Türkei weiter nicht gut bestellt. Die seit 1998 von der EU-Kommission regelmäßig vorgetragenen Beschwerden ziehen sich wie ein roter Faden durch die jährlichen Türkei Berichte. Hatte es 2005 noch geheißen, es habe kleine Fortschritte gegeben, so verzeichnete der Anfang November vorgelegte jüngste Bericht "no progress" - keine Fortschritte für die nichtmuslimischen Religionsgemeinschaften. Der Mängelbericht aus Brüssel listete auch diesmal wieder zahlreiche Probleme auf, denen etwa Christen unterliegen.

Immer noch werden religiösen Gemeinschaften in ihren Rechten beschnitten
Immerhin: Gottesdienste könnten in der Regel problemlos abgehalten werden, vermerkte der Bericht. Aber: Immer noch werde religiösen Gemeinschaften der Rechtspersönlichkeit verwehrt. Immer noch hätten sie nur eingeschränkte Eigentumsrechte. Immer noch sei nichtmuslimischen Religionsgemeinschaften die Ausbildung ihrer Geistlichkeit verboten. Und immer noch gebe es Beschränkungen für ausländische Geistliche beim Erhalt einer Arbeitserlaubnis in der Türkei. Auch gebe es Berichte über Übergriffe gegen Geistliche und Gotteshäuser nichtmuslimischer Religionsgemeinschaften.

Scharfe Kritik übte die EU-Kommission auch in diesem Jahr wieder am Umgang der Türkei mit den orthodoxen Christen, deren Oberhaupt Bartholomaios I. auch zu den Gesprächspartnern des Papstes zählen wird. Bartholomaios dürfe nach wie vor in der türkischen Öffentlichkeit nicht mit seinem Ehrentitel "Ökumenischer Patriarch" bezeichnet werden. Die türkische Seite sieht in ihm nur das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Minderheit. Und das 1971 von den Behörden geschlossene orthodoxe Priesterseminar Chalki dürfe noch immer nicht seine Arbeit wieder aufnehmen.

Wie die EU-Kommission, so hat auch das Europaparlament mehrfach die den religiösen Minderheiten auferlegten Einschränkungen kritisiert. Die Europaabgeordneten bemängelten im September in einem scharf formulierten Bericht die gleichen Probleme wie zuletzt auch die EU-Kommission. Ausdrücklich äußerten die Europaabgeordneten zugleich die Hoffnung, der Besuch von Benedikt XVI. in der Türkei möge zur Festigung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs zwischen Christen und Muslimen beitragen. Wie die EU-Kommission werden daher auch Europaabgeordnete genau verfolgen, wie die Türkei mit dem Papst umgeht.