Kontroversen in Dresden über die Ausrichtung der Partei - Merkel will einen Kurs der Mitte

Flügelschlagen bei der CDU

Auf dem Dresdner Parteitag ist der Richtungsstreit in der CDU offen zu Tage getreten. Bundeskanzlerin und Parteichefin Angela Merkel rief am Montag zu einem Kurs der Mitte und zum Ende des Flügelstreits auf. Nach der Rede der Kanzlerin kam es trotzdem zu einer heftigen Kontroverse über den Kurs der Partei. - Am Vormittag wurde der Parteitag mit einem ökumenischen Gottesdienst eröffnet.

 (DR)

„Hartz IV generell überholen"
Kern der Kontroversen war der Antrag der nordrhein-westfälischen CDU, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I (ALG I) an die Beitragsjahre zu koppeln. Neben weiteren Maßnahmen wurde die Forderung erhoben, man müsse „Hartz IV generell überholen". Als Gegengewicht legte der baden-württembergische Landesverband einen Antrag vor, der Lockerungen des Kündigungsschutzes und die Forderung nach betrieblichen Bündnissen für Arbeit beinhaltet.

Merkel unterstrich, Flügel gäben Auftrieb, sie dürften aber nicht gegeneinander stehen. Wirtschaft und Soziales seien in der CDU nie Gegensätze gewesen. Die CDU sei die „große Volkspartei der Mitte" von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Beide Anträge zusammen zeigten, dass die CDU eine „Politik für alle" mache. Zugleich nannte Merkel den Leipziger Reformparteitag von 2003 „wegweisend".

Unmittelbar nach Merkel mahnte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in seiner Rede, die CDU müsse auch die „Partei der Schwachen" sein. Bei seinem Vorstoß zum ALG I gehe es nicht um einen „Linksruck", sondern um eine Forderung aus der Mitte der Gesellschaft. Mit Hinweis auf den Leipziger Parteitag sagte Rüttgers: „Leipzig steht für Reformen. Dresden kann dafür stehen, dass es dabei gerecht zugeht."

„Sozial ist, was Arbeit schafft."
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) warnte daraufhin, der Streit um das ALG I dürfe nicht den Blick auf die „wirklich wichtigen Fragen" verstellen. Es müsse auch von diesem Parteitag die „Botschaft" ausgehen: „Sozial ist, was Arbeit schafft."

Mit scharfen Worten warf der Chef der CDU-Sozialausschüsse (CDA), Karl-Josef Laumann, der CDU-Spitze vor, den Sozialflügel der Partei lange vernachlässigt zu haben. Laumann, der dem CDU-Präsidium angehört, sagte, er habe in den vergangenen Jahren oft den Eindruck gehabt, dass die CDA „untergepflügt" worden sei. Deshalb sei die jetzige Diskussion um den Kurs der Partei eine „gute Debatte".

Wulff fordert, unpopuläre Schritte nicht zu scheuen
Niedersachsens Ministerpräsident und CDU-Vize Christian Wulff widersprach Laumann. In den CDU-Spitzengremien habe man immer auf das Wort Laumanns geachtet, weil ohne seine Zustimmung ein wichtiger Teil der CDU fehle. Wulff unterstützte wie auch Merkel den NRW-Antrag zum ALG I inhaltlich, wandte sich aber gegen eine Revision von „Hartz IV".

Wulff forderte die CDU auf, unpopuläre Schritte nicht zu scheuen. Die CDU müsse sagen, worauf es ankomme und nicht, „was gerade ankommt". Merkel appellierte an die CDU, sich mit der Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft stärker zu profilieren. Hier entscheide sich auch die Mehrheitsfähigkeit der Volksparteien.

Merkel zog ein positives Fazit zur Arbeit der großen Koalition, machte aber auch die gegensätzlichen Positionen zur SPD etwa in der Kernenergie oder bei der Frage eines EU-Beitritts der Türkei deutlich. Auf eine Fortsetzung der Koalition nach 2009 hofft Merkel offenbar nicht. Große Koalitionen müssten „die Ausnahme in unserer parlamentarischen Demokratie" bleiben, betonte die Kanzlerin.