Der erste Reisetag - Eine Bilanz

Benedikt in der Türkei

Seinen ersten Tag auf dem türkischen Minenfeld – der Ausdruck ist von Kardinal Kasper – hat Papst Benedikt gut überstanden, und das ist schon eine Menge. Viel Händeschütteln, freundliche Gesichter, Gegengift zu den schrillen „Papst go home“-Ausbrüchen der letzten Tage und Wochen. Es kam, an diesem ersten Tag, zu keinem Eklat, zu keinem Regensburg 2: Das Wichtigste ist damit bislang geschafft, nämlich einer skeptischen islamischen (und oft einfachen) Bevölkerung visuell zu vermitteln, dass der Papst nichts Böses will.

 (DR)


Von dieser Hauptsache abgesehen, bot der erste Reisetag eine Vielzahl interessanter Szenen: Der Papst und der islamische Rechtsgelehrte etwa, Hand in Hand, mit feierlichen Gesichtern, ein Bild wie aus Lessings „Ringparabel". Zwei Herren, Vertreter zweier Religionen, tief zurückgesunken in orientalische Sessel, die in aller Ruhe und Freundlichkeit über die großen Fragen der Menschheit sinnieren, ein spontaner und würdiger Dialog wie in einem arabischen Kaffeehaus, es fehlte fast nur noch der Pfefferminztee und das Gluckern der Wasserpfeife - eine fast archetypische Szene. Dass gerade der Präsident des staatlichen Religionsamtes, der Benedikt XVI. nach dessen Regensburger Diskurs am allerschärfsten kritisiert hatte, den Papst so stattlich und freundlich empfangen würde, das hätte wohl keiner gedacht. Und man konnte leicht sehen, wie sehr dem Papst dieses ungeplante Gespräch vor laufenden Fernsehkameras gefiel: Professor Ratzinger erobert den Orient, scheu, freundlich, offen zum Gespräch. Dieses Bild des mit dem muslimischen Professor diskutierenden Papstes beendet ganz augenfällig den Streit von Regensburg.

Und die Begegnung mit den Politikern? Der Premierminister Erdogan wirkte etwas barsch, der Präsident Sezer etwas finster. Erdogan, dem die EU den Stuhl vor die Tür zu setzen droht, hat die Gunst der Stunde genutzt, ausgerechnet den Papst als Kronzeugen für einen EU-Beitritt der Türkei heranzuziehen. Sollte Papst Benedikt tatsächlich seine Meinung zu dieser Frage geändert haben - oder hat der Politiker den Papst in diesem Punkt überrumpelt? Es wirkt schon etwas seltsam, dass jetzt ausgerechnet Papst Benedikt noch für einen EU-Beitritt der Türkei werben soll, wenn die EU selbst die Verhandlungen darüber wahrscheinlich auf Eis legt. Diese kleine Ungereimtheit zeigt, dass die Programmpunkte der nächsten Tage noch viel Sprengstoff bergen. Und es sind gar nicht mal nur türkische Politiker, die den Papst zu vereinnahmen suchen; Benedikt droht auch mit seinem Besuch im orthodoxen Patriarchat von Istanbul zwischen die Fronten des Streits zwischen Staat und Bartholomaios zu geraten. Wie gesagt: ein Minenfeld.
(Stefan Kempis, Radio Vatikan)