Benedikt nach Istanbul zu Bartholomaios I. aufgebrochen - Politiker freuen sich über angebliches Papstwort

Vor dem Höhepunkt der Papstreise

Papst Benedikt XVI. ist nach Istanbul aufgebrochen. Dort trifft er am Abend den orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. Am Vormittag hatte er in Ephesus einen Gottesdienst am so genannten Haus Mariens gefeiert, wo das Grab der Mutter Jesu verehrt wird. - Unterdessen findet die Türkeireise des Kirchenoberhaupts auch in der deutschen Politik Beachtung. Dabei verbanden Linkspartei und Grüne ihr Lob für die vom türkischen Ministerpräsidenten Erdogan berichteten Äußerungen des Kirchenoberhaupts zu EU-Mitgliedschaft der Türkei mit Kritik am Kurs von Bayerns Ministerpräsident Stoiber. Der lehnt eine EU-Mitgliedschaft der Türkei entschieden ab. -
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 (DR)


Vatikan will Erdogans Aussage nicht bestätigen
Benedikt war am Dienstag mit Erdogan zusammengetroffen. Dieser berichtete anschließend vor Journalisten, der Papst habe sich für eine Aufnahme der Türkei in die EU ausgesprochen. Von vatikanischer Seite hieß es später, der Vatikan wolle nicht für oder gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU Partei ergreifen.

Sowohl Grüne als auch Linkspartei bezogen ihre Wertung auf die Erdogan-Darstellung des Gesprächs. Grünen-Chefin Claudia Roth sprach von einem "Bekenntnis" des Papstes zu einem EU-Beitritt Ankaras und einem wichtigen Signal. Damit setze die katholische Kirche ein Zeichen für einen Dialog der Kulturen und gegen eine "antiislamische Ausgrenzungspolitik". Roth meinte, CDU und CSU sollten "zur Besinnung kommen" und auf die Botschaft des Papstes hören. Dem CSU-Chef warf sie "gnadenlosen Populismus in der Türkeipolitik" sowie Stammtischparolen auf unterstem Niveau vor und empfahl ihm einen Beichtgang.

Erfreuliche "Kehrtwendung des Papstes"
Der Linkspartei-Politiker Hakki Keskin, Beauftragter seiner Fraktion für die EU-Erweiterung, sprach von einer sehr erfreulichen "Kehrtwendung des Papstes". Sie überrasche, weil der frühere Kardinal Joseph Ratzinger noch zu den schärfsten Kritikern eines EU-Beitritts der Türkei gezählt habe. Religiös motivierte Einwände gegen einen EU-Beitritt der Türkei, wie Konservative wie Stoiber sie gerne vorbrächten, müssten künftig ohne den Papst als moralische Instanz auskommen.

Unterdessen forderte Stoiber erneut von der EU ein strikteres Auftreten gegenüber der Türkei. Die Empfehlung der EU-Kommission, die Beitrittsverhandlungen teilweise zu unterbrechen, reiche noch nicht aus, sagte der CSU-Vorsitzende in München. Vielmehr müssten alle neuen Verhandlungskapitel auf Eis gelegt werden, bis die Türkei ihre vertraglichen Verpflichtungen erfülle. Nach dem Scheitern eines Kompromisses in der Zypern-Frage dürfe nicht weiter verhandelt werden, als sei nichts geschehen, betonte der Partei-Chef.