Mit Spannung und Nervosität blicken die Rumänen und Bulgaren auf den EU-Beitritt 2007

"Wir dürfen keine Wunder erwarten"

Brüssel, die europäische Hauptstadt der fürstlichen Gehälter? Evgeni Kirilov lächelt. Zum 1. Januar wird der 61-Jährige einen neuen Job antreten: für das EU-Neumitglied Bulgarien wird er als Abgeordneter im Europaparlament sitzen. Seine monatliche Diät wird dann rund 600 Euro brutto betragen. Würde er dagegen für Italien ins EU-Parlament einziehen, stünden ihm satte 12.400 Euro zu. Als Deutscher brächte er es immerhin noch auf 7.000 Euro. Was erwarten Bulgaren und Rumänen vom EU-Beitritt?

 (DR)

Kirilovs Bezüge orientieren sich an denen der heimischen Parlamentarier in Sofia und sind in seinen Augen "ein faires Gehalt". Dank Extra-Tagegelder und anderer Leistungen wird auch er in Brüssel gut über die Runden kommen. Sein Beispiel illustriert vor allem eines: wie gewaltig das Einkommensgefälle in der EU nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens sein wird.

Die beiden Länder werden, gemessen an ihrem Pro-Kopf-BIP, die ärmsten Mitglieder der EU sein. Der Sozialdemokrat Kirilov und andere Europapolitiker haben deshalb einen Kraftakt hinter sich: die hohen Erwartungen vieler ihrer Landsleute an die lang ersehnte EU-Mitgliedschaft auf ein realistisches Maß zu drosseln. "Viele Menschen haben sich von dem Beitritt zuerst zu viel versprochen. Wir haben jedoch klar gestellt, dass man sich keine Wunder über Nacht erwarten darf", sagt er.

Gerade die ersten Jahre nach dem Beitritt, sagen Experten voraus, könnten den Menschen in Bulgarien und Rumänien sogar viel abverlangen. Probleme werden wohl unter anderem auf die zahlreichen Kleinbauern und andere Kleinbetriebe zukommen. Viele tun sich jetzt schon schwer, dem Wettbewerbsdruck standzuhalten und gleichzeitig die EU-Qualitätsstandards zu erfüllen. Die Schwächsten müssen sich auf den Konkurs gefasst machen.

Zwar hat Brüssel für die beiden Neumitglieder bis 2013 Fördergelder in Höhe von rund 44 Milliarden Euro eingeplant. Ob diese letztlich am richtigen Ort landen, muss sich jedoch erst noch zeigen. Beide Länder haben immer noch erhebliche Probleme mit der Korruption, einer zu schwachen Verwaltung und Justiz. Die EU-Kommission hat deshalb selbst eine Reihe von Schutzklauseln erlassen: Gelingt die Anpassung an EU-Standards nicht, können die Zahlungen, genau wie andere Mitgliedsrechte, teilweise ausgesetzt werden.

Die Arbeit im EU-Ausland wird den östlichen Nachbarn indessen erst einmal schwer gemacht. Deutschland, Großbritannien und andere alte EU-Staaten haben ihre Arbeitsmärkte für die nächsten Jahre verriegelt. Zu groß ist dort die Sorge vor einer Arbeiterschwemme.

Eine Situation, die dem tschechischen EU-Arbeitskommissar Vladimir Spidla nicht gefällt: "Die Freizügigkeit für Arbeitnehmer bringt Vorteile für alle", ist er überzeugt.

Trotzdem: "Der Optimismus bei uns ist nach wie vor groß", erklärt Monica Iacob-Ridzi (29), künftige rumänische EU-Parlamentarierin der konservativen Partei EVP-ED voller Tatendrang. "Wir haben hart für den Beitritt gearbeitet. Nicht nur wir, sondern auch die EU wird langfristig von der Erweiterung profitieren."

Bulgarien und Rumänien punkten derzeit mit kräftigem Wachstum. "Wir bieten unsere Energie an, um Europa zum entwickeltsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen", sagt Iacob-Ridzi. Ihr bulgarischer Kollege Kirilov erwartet für sein Land bessere demokratische Standards, Aufschwung, Modernität. "Eine sichere Zukunft für unsere Kinder in jeglicher Hinsicht", lautet sein Ziel.

Auch die Bundesregierung glaubt daran, dass die neue Erweiterung allen Beteiligten gut tun wird. Für den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist die Erweiterung nicht zuletzt ein Schritt zu mehr Sicherheit in der Balkan- und Schwarzmeer-Region.

Vor allem aber verweist er darauf, dass zwei Drittel aller deutschen Exporte in EU-Staaten gehen - und immer öfter auch in junge EU-Länder. Auch deutsche Investoren interessieren sich für die Region. "Der Beitritt sichert den rechtlichen Rahmen, der für die wirtschaftlichen Aktivitäten erforderlich ist", sagte Steinmeier.