Neuer österreichischer Bundeskanzler wird SPÖ-Chef Gusenbauer

Große Koalition in der Alpenrepublik - Kirche übt Kritik

Die rot-schwarze große Koalition in Österreich steht. Konservative Volkspartei (ÖVP) und Sozialdemokraten (SPÖ) stimmten in Wien für ein Regierungsbündnis beider Parteien. Zugleich gab der amtierende Bundeskanzler Wolfgang Schüssel seinen Rücktritt als Parteichef der ÖVP bekannt. Schüssel wird auch kein Ministeramt in der SPÖ-geführten Regierung übernehmen. Nicht weniger überraschend kam auch der Rückzug von Finanzminister Karl-Heinz Grasser. ÖVP und SPÖ hatten bei der Wahl im Oktober zusammen knapp 70 Prozent der Stimmen gewonnen. Dabei hatte die SPÖ die ÖVP um einen Prozentpunkt geschlagen. Am Regierungsprogramm der Koalition wird derweil Kritik der katholischen Kirche lauter.

 (DR)

Die Konservativen erhalten in der neuen Regierung die Ressorts Äußeres, Finanzen, Innen, Wirtschaft, Landwirtschaft und Umwelt, sowie Gesundheit und Wissenschaft. An die Sozialdemokraten fallen das Bildungs-, Justiz, Infrastruktur, Sozial- und Verteidigungsministerium. Die Regierungsbildung hatte deshalb so lange gedauert, weil sich SPÖ und ÖVP über den Kauf von 18 Eurofightern gestritten hatten.

Kritische Stimmen aus der katholischen Kirche
Wie die österreichische katholische Nachrichtenagentur berichtet, hat sich die Katholische Sozialakademie Österreichs (ksoe) zum Programm der neuen Koalitionsregierung kritisch geäußert. ksoe-Direktor Markus Schlagnitweit bezeichnete das Regierungsprogramm als "wenig ambitioniert" im Hinblick auf nachhaltiges und menschengerechtes Wirtschaften und Arbeiten sowie hinsichtlich sozialer Sicherheit. Obwohl einer aktiven Wirtschafts- und Sozialpolitik wieder etwas mehr Priorität eingeräumt werde, "erscheinen die geplanten Maßnahmen als zu traditionell und wenig zukunftsorientiert ausgerichtet".

Evangelische begrüßen Ergebnisse
Die Kirchenleitungen der evangelisch-lutherischen Kirche, der evangelisch-reformierten Kirche und der evangelisch-methodistischen Kirche haben dagegen den Abschluss des Regierungsübereinkommens begrüßt und der neuen Regierung ihre Zusammenarbeit angeboten. Der lutherische Bischof Herwig Sturm, der reformierte Landessuperintendent Wolfram Neumann und der methodistische Superintendent Lothar Pöll wünschten den neuen Trägern der Regierungsverantwortung "viel Weisheit und Kraft für ihre Entscheidung und Gottes Segen für ihre Arbeit".
Skepsis gegen Sozialdienst für Studenten
Skeptisch reagierten am Dienstag Hilfsorganisationen auf den Koalitionsvorstoß, dass Studenten in Zukunft die Studiengebühren mittels Sozialdienst abdienen können. Caritas-Präsident Franz Küberl erinnerte daran, dass in die "im Prinzip gute Idee" noch eine Menge investiert werden muss, damit die Sache ein Erfolg wird. Grundsätzlich sei jede Maßnahme zu begrüßen, durch die soziale und ökologische Kompetenz in der Bevölkerung gefördert werde. "Wenn ernsthaftes Interesse besteht, dass die Aktion ein Erfolg wird, muss sie zu Ende gedacht werden, wir brauchen ein ausgereiftes Modell", betonte Küberl. Es dürfe keinesfalls der Eindruck entstehen, dass sich nur jene Menschen sozialen Diensten zuwenden, die arm sind.
Keinesfalls möchte Küberl die Sozialarbeit am Geld alleine aufhängen. Vielmehr sollte ein Student mehrfachen Nutzen davon haben, etwa in Form einer zusätzlichen Qualifikation für einen späteren Beruf. Dazu wären auch universitäre Begleitveranstaltungen zur Sozialarbeit zu überlegen.

Kindergeld: Eine "Verschlimmbesserung"
Kritik an der angekündigten Reform des Kinderbetreuungsgeldes kommt vom Katholischen Familienverband der Erzdiözese Wien (KFVW). KFVW-Vorsitzender Alexander Kucera sprach von einer "Verschlimmbesserung", die nur dazu geschaffen werde, um Eltern früher in den Erwerb zu drängen. Das Kindeswohl bleibe auf der Strecke. "Es fehlt echte Wahlfreiheit, die nur durch Abschaffung der Zuverdienstgrenze zu erreichen ist", so Kucera.