Ashleys Behandlung auch in den USA umstritten

Zustand "permanenter Kindheit"

Der Fall Ashley schlägt auch in den USA Wellen. Die Entscheidung eines Ärzteteams im amerikanischen Seattle, das Wachstum eines behinderten Kindes mit einer Kombi-Therapie zu hemmen und die Pubertät zu verhindern, hat zu heftigen Diskussionen über die ethischen Aspekte des Eingriffes geführt. Das Mädchen soll entsprechend dem Wunsch der Eltern zur leichteren Versorgung in einem Zustand "permanenter Kindheit" gehalten werden. Der Fall des Kindes, das nur mit seinem Vornamen Ashley bekannt ist, hat seit dem Wochenende in den US-Medien für Schlagzeilen und in zahlreichen Internetforen für Reaktionen gesorgt.

 (DR)

Ein Zeitungsbericht hatte auf die Website von Ashleys Eltern hingewiesen, in der diese das Schicksal ihrer Tochter beschreiben und die vorgenommene Therapie rechtfertigen. In medizinischen Fachkreisen ist der Fall bereits seit Oktober bekannt. Damals hatten der für Ashleys Behandlung verantwortliche Facharzt für Drüsenkrankheiten, Daniel F. Gunther, und der Medizinethiker Douglas S. Diekema das "Ashley-Treatment" in einer Fachzeitschrift vorgestellt. Man habe es sich nicht leicht gemacht, dem Wunsch der Eltern zu entsprechen.

Ethik Komitee hat Entscheidung zugestimmt
Ein zu gleichen Teilen aus 40 weiblichen und männlichen Wissenschaftlern und Bioethikern zusammengesetztes Komitee in Seattle im amerikanischen Gliedstaat Washington untersuchte die verschiedenen ethischen und legalen Aspekte. Besondere Beachtung wurde dabei der Sterilisation gewidmet, die Teil der "Ashley-Behandlung" ist. Hinzugezogene Anwälte vertraten den Standpunkt, dass auf Ashley ein amerikanisches Gesetz nicht zutrifft, das eine Zwangssterilisation bei Frauen verbietet. Die Regelung gelte für leichte Behinderungen. Die inzwischen neunjährige Ashley gilt jedoch als schwerstbehindert.


Sie leidet unter einer seltenen Erkrankung, der statischen Enzephalopathie. Sie hat nach Einschätzung von Eltern und Ärzten dazu geführt, dass das Mädchen geistig auf dem Stand eines drei Monate alten Babys bleiben wird. Auf dieser Grundlage wurde im Sommer 2004 bei Ashley eine Kombinationstherapie vorgenommen, die aus drei Segmenten bestand. Der Uterus wurde chirurgisch entfernt, um Menstruation und Sexualentwicklung zu verhindern.
Darauf zielte auch die Entfernung von Brustgewebe ab. Dieser Eingriff wurde auch mit der Familiengeschichte begründet, in der es zahlreiche Fälle von Brustkrebs gab. Der Gefahr, dass auch Ashley hieran erkrankt, wollte man vorbeugen.

Schließlich wurde eine hochdosierte Östrogentherapie durchgeführt, mit der Ashleys Wachstum begrenzt werden soll. Die Eltern betonen, dass die Pflege von Ashley leichter sei, wenn sie klein bleibe. US-Medien haben das Kind inzwischen "Pillow Angel" - Kopfkissenengel - getauft. Durch die Therapie konnte nach Medienberichten Ashleys Körpergröße auf etwa 135 Zentimeter begrenzt werden; die Neunjährige wiegt etwa 30 Kilogramm. Die Eltern argumentieren, dass bei dem bettlägerigen Kind durch die Maßnahmen Komplikationen wie Geschwüre, Blaseninfektionen oder Lungenentzündungen vermieden werden können.

US-Fachleute urteilen zurückhaltend
Während die Öffentlichkeit mit herber Kritik oder aber Verständnis für Ashleys Eltern reagiert, äußern sich Fachleute zurückhaltender. Die Kinderärzte Jeffrey Brosco und Chris Feudtner von der Universität von Miami meldeten Zweifel an der Effektivität einer Wachstumshemmung durch Östrogen an. Sie lobten aber die Kollegen in Seattle dafür, diese kritische Frage zur öffentlichen Diskussion gestellt zu haben. Die Zeitschrift Scientific American hebt die aufopfernde Pflege und Zuneigung von Ashleys Eltern hervor. Sie wüssten am besten, was gut für ihre Tochter sei: "Sie kümmern sich um ihr Kind, während andere Eltern dies längst in eine Anstalt gegeben hätten." Der Bioethiker Art Caplan von der University of Pennsylvania nannte den Fall dagegen "einen rutschigen Abhang" und bezweifelte, dass eine Wachstumshemmung eine Lösung für ähnliche Patienten sei.