Bayerns Ministerpräsident Stoiber gibt sein Amt im Herbst auf

Abruptes Ende einer Karriere

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber gibt seine Ämter im Herbst auf. Stoiber kündigte am Donnerstag in München an, er werde zum 30. September als Ministerpräsident zurücktreten. Auch für den CSU-Vorsitz werde er nicht mehr kandidieren. Auf dem nächsten CSU-Parteitag solle ein neuer Vorsitzender gewählt und ein Spitzenkandidat nominiert werden. Er habe diese Entscheidung getroffen, weil ihm die Zukunft der CSU und Bayerns wichtig sei. Am Freitag werde er die Parteispitze in einem Gespräch über diesen Schritt noch einmal informieren.

 (DR)

Günther Beckstein (CSU) blickte besorgt, als er am Donnerstag in Wildbad Kreuth zu den wartenden Journalisten sprach. Der bayerische Innenminister kündigte an: "Sollte der Sturm ein bedrohliches Ausmaß annehmen, werde ich selbstverständlich mich darum zu kümmern haben und darüber auch den Ministerpräsidenten informieren."

Damit war allerdings nicht die immer heftiger werdende Personaldebatte in der CSU gemeint, die erneut die Klausur der Landtagsfraktion in den Bergen durcheinander wirbelte. Beckstein scherzte, bei seiner Sturmwarnung handele es sich "nicht um ein politisches, sondern um ein meteorologisches Phänomen".

Weniger zum Spaßen zumute war dem Landtagspräsidenten Alois Glück
(CSU). Der Chef der CSU-Grundsatzkommission schimpfte, die jüngsten
Äußerungen aus der Fraktion über eine Tandemlösung bei der Stoiber-Nachfolge seien eine "massive Selbstbeschädigung". Man müsse sich an die eigenen Beschlüsse halten.

Zuvor war aus der Fraktion ein möglicher Ausweg aus der Führungskrise bekannt geworden, der spontan auf viel Wohlwollen traf: Beckstein solle Ministerpräsident werden und der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber neuer CSU-Chef. Eine solche Regelung hätte deshalb viel Charme, weil damit neue Grabenkämpfe zwischen den beiden Politikern vermieden werden könnten. Eine Abgeordnete sprach von einer fast "poetischen" Lösung.

Das Dumme daran: Eigentlich war in Wildbad Kreuth nach langem Ringen vereinbart worden, dass Stoiber das Vertrauen der Fraktion hat und unter seiner Leitung Vorschläge für das weitere Vorgehen erarbeiten werden. CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann versicherte denn auch: "Edmund Stoiber hat nun zunächst das Heft in der Hand." Man stehe auch "überhaupt nicht unter Zeitdruck".

Herrmann mahnte zugleich: "Wir sind in einer insgesamt für unsere Partei sicherlich sehr sensiblen Lage." Es gebe zwar "einen nicht zu übersehenden Anteil in unserer Anhängerschaft», der sich einen anderen Kandidaten als Stoiber bei der Landtagswahl 2008 wünsche. Es gebe aber auch einen "ganz erheblichen Anteil", der nach wie vor "von Edmund Stoiber begeistert" sei.

Beckstein versicherte: "Auch die Frage, ob mit Stoiber 2008 erneut
angetreten wird, ist sicher eine der Möglichkeiten, über die jetzt gesprochen wird". Ansonsten hielt sich der Innenminister jedoch eher bedeckt. So antwortete er auf die Frage, ob es tatsächlich ein Gespräch zwischen ihm und Huber sowie Stoiber gegeben habe: "Es gibt viele Gespräche mit praktisch allen Beteiligten."

Zu den Berichten über eine Tandemlösung sagte Beckstein: "Es ist selten, dass etwas völlig aus der Luft gegriffen ist. Aber es ist ebenso eindeutig, dass vieles, das angedacht ist, dann später nicht kommen kann." Er habe in seinem politischen Leben schon erlebt, "dass sich Dinge in Windeseile verändert haben".

So kam es denn auch am Donnerstag: Stoiber kündigte am Nachmittag
bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in München an, dass er sein Amt als Ministerpräsident zum 30. September aufgeben wird. Auch den CSU-Vorsitz will Stoiber nicht behalten - insofern wäre der Weg für eine Tandemlösung mit Beckstein und Huber frei.

Chronologie eines Absturzes
Die Karriere von Edmund Stoiber ist am Ende angelangt. Viele Jahre lang war es für den 65-Jährigen steil nach oben gegangen. In die Wiege war ihm dieser Erfolg nicht unbedingt gelegt worden. Stoibers Mutter stammte aus Dormagen, sein Vater war gebürtiger Oberpfälzer, der von seiner Firma Ende der 30er Jahre nach Oberaudorf im Landkreis Rosenheim versetzt wurde. Dort kam Stoiber als jüngstes von drei Kindern am 28. September 1941 zur Welt.

Die materielle Not der Familie nach dem Krieg hat Stoiber nach eigenen Worten "mitgeprägt". Der Vater kam erst 1948 aus der Gefangenschaft zurück und war anschließend oft arbeitslos, bis er in München eine neue Anstellung fand.

Richtig in Schwung kam die politische Karriere des studierten Juristen Stoiber, der mit seiner Frau Karin drei Kinder hat, im November 1978: Der damalige CSU-Chef Franz Josef Strauß bot ihm das Amt des Generalsekretärs an, das Stoiber bis März 1983 bekleidete. In dieser Zeit erwarb er sich wegen seiner Attacken auf den politischen Gegner das Image vom "blonden Fallbeil". Nächste Karrierestation war die Leitung der Staatskanzlei. Nach dem Tod von Strauß im Oktober 1988 wurde Stoiber Innenminister.

Im Mai 1993 setzte er sich in einem heftigen Machtkampf um die Nachfolge von Ministerpräsident Max Streibl gegen Theo Waigel durch. Anfang 1999 löste Stoiber Waigel als Parteichef ab. Im Januar 2002 überließ ihm CDU-Chefin Angela Merkel dann nach anfänglichem Widerstand die letztlich erfolglose Kanzlerkandidatur der Union.

Für kurze Zeit wähnte sich Stoiber am 22. September 2002 sogar als neuer Bundeskanzler und damit am Ziel seiner politischen Träume. Er frohlockte bereits: «Wir haben die Wahl gewonnen!» Aber die ersten Hochrechnungen erwiesen sich als trügerisch - und SPD-Kanzler Gerhard Schröder konnte seine rot-grüne Koalition doch noch fortsetzen.

Einen weiteren Dämpfer erlitt Stoibers Karriere durch sein missglücktes Berlin-Abenteuer. Der CSU-Chef hatte nach langem Zögern zunächst sein Interesse an einem Wechsel in die Bundeshauptstadt signalisiert. Im Oktober 2005 verständigten sich die Spitzen von Union und SPD offiziell darauf, dass Stoiber Bundesminister für Wirtschaft und Technologie werden soll.

Doch es folgte ein Tauziehen um den genauen Zuschnitt des Ressorts, bei dem Merkel sich nicht gerade intensiv für Stoiber einsetzte. So nutzte der CSU-Vorsitzende die Rücktrittsankündigung des damaligen SPD-Chefs Franz Müntefering, um seinen Verbleib in Bayern zu verkünden. Stoiber erklärte seinen Schritt mit dem Satz: "Ich bin in dieser veränderten Situation zu der Überzeugung gekommen, dass ich als Parteivorsitzender die Interessen der CSU besser in München vertreten kann."

Das sahen allerdings bei weitem nicht alle Parteifreunde so. Vielmehr ließen nun zahlreiche CSU-Politiker ihrem Unmut über den Zick-Zack-Kurs und den gesamten Führungsstil Stoibers freien Lauf. Dank zahlreicher Entschuldigungen des CSU-Chefs ("Ich leide wie ein Hund") schien zwischenzeitlich der größte Zorn verraucht. Stoibers Fehler im Zusammenhang mit der Bespitzelungsaffäre um die Fürther Landrätin Gabriele Pauli ließen jedoch die Debatte um ein Ende seiner Karriere umso heftiger wieder entflammen.