Viel Kritik vor Integrationsgipfel der Bundesregierung

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Die Bundesregierung lädt für Freitag zu einem Integrationsgipfel. Er soll den Startschuss für die Ausarbeitung eines "Nationalen Aktionsplans" bilden. Mehr als 70 Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen, Sozialverbänden, Kirchen, Migrantenorganisationen und Religionsgemeinschaften werden im Kanzleramt erwartet.

 (DR)

Die Bundesregierung lädt für Freitag zu einem Integrationsgipfel. Er soll den Startschuss für die Ausarbeitung eines "Nationalen Aktionsplans" bilden. Mehr als 70 Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen, Sozialverbänden, Kirchen, Migrantenorganisationen und Religionsgemeinschaften werden im Kanzleramt erwartet. Muslime kritisieren, das Vorhaben sei halbherzig, zu kurzfristig anberaumt und konzeptionslos. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Ayyub Axel Köhler, sagte, er erwarte sich nicht viel von dem Gipfel. Man könne Menschen nicht integrieren, "ohne ihre innersten Glaubensbezüge zu berücksichtigen", so der Muslim-Vertreter. "Dass man auf einem Integrationsgipfel zuerst sagt, die müssen die deutsche Sprache lernen - mein Gott, dafür brauchen wir keine Konferenz zu machen. Das ist dann viel Aufregung um Nichts." Der Direktor des Zentrums für Türkei-Studien, Faruk Sen, erklärte demselben Blatt, er habe trotz Einladung seine Teilnahme abgesagt, "weil es inhaltlich nichts bringt". Sen bemängelte, dass der Gipfel in die Urlaubszeit falle, schlecht vorbereitet sei und jeder Teilnehmer maximal fünf Minuten Redezeit habe.

Wer hier leben will, muss sich integrieren
Im Vorfeld des Integrationsgipfels hat der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) verpflichtende Deutschkurse für Kinder aus Zuwandererfamilien gefordert. "Wer bei uns in Deutschland leben will, muss sich auch in unsere Alltagskultur integrieren", sagte Stoiber der Welt am Sonntag. Eltern müssten ihre Kinder in den Deutschkurs schicken, damit diese bei der Einschulung deutsch können. Außerdem dürften Eltern kein Recht haben, ihre Kinder vom Schulunterricht auszuschließen, etwa von Sport- und Biologieunterricht und von Klassenfahrten.

Wer nicht kommt, zahlt
Sanktionen "bis hin zur Kürzung von Sozialleistungen" forderte Stoiber für Zuwanderer, die nicht an Integrationskursen teilnehmen. Das müsse auch in der Praxis durchgesetzt werden. "Wir müssen das Prinzip Fördern und Fordern durchsetzen, wenn wir gemeinsam mit unseren ausländischen Mitbürgern gut zusammenleben wollen", sagte er. Auch Bundesinnenminister Schäuble hat bessere Sprachkenntnisse von Zuwanderern gefordert. Jedes Kind müsse bei Schuleintritt die deutsche Sprache beherrschen, sagte Schäuble in einem Interview. Von den 3,5 Millionen Muslimen in Deutschland verlangte Schäuble ein Bekenntnis zu Grundwerten und Regeln der Gesellschaft. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat für eine gesteuerte Zuwanderung plädiert. "Wir müssen entscheiden, wen wir benötigen, um wen wir werben wollen und von wem wir erwarten können, dass er sich selbst integrieren will", erklärte Schönbohm in einem Gastbeitrag für die Netzeitung. Zugleich forderte er von den hier lebenden Migranten ein klares Bekenntnis zur Integration.

"Abschottungen, archaische Strukturen und Verhaltensweisen vor allem bei Zuwanderern aus islamischen Staaten lassen in der Bevölkerung an der Bereitschaft zweifeln, dass Integration tatsächlich gewollt ist", erklärte Schönbohm. Die Interessenverbände und religiösen Gemeinschaften der Migranten hätten beim Integrationsgipfel nun die Chance, diese Bereitschaft herauszustellen.

Fernsehen soll integrativ wirken
Bei dem Treffen am kommenden Freitag will die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), nach einem Bericht des Münchner Nachrichtenmagazins «Focus» deutsche und türkische Fernsehsender stärker in die Pflicht nehmen. "Sie müssen mehr über gelungene Beispiele der Integration berichten. Wir brauchen mehr Serien nach der Art von 'Türkisch für Anfänger' in der ARD", forderte sie. Auch sollten die Fernsehanstalten mehr Moderatoren und Journalisten beschäftigen, die aus Einwandererfamilien stammen.

Noch ist nicht klar, wer am Gipfel teilnehmen möchte
Die Bundesregierung will laut Welt am Sonntag in den nächsten Tagen die Teilnehmer des Integrationsgipfels benennen. Böhmer sagte der Welt am Sonntag, eine verbindliche Teilnehmerliste werde spätestens Mitte der Woche veröffentlicht. Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Rates der türkeistämmigen Staatsbürger, Yasar Bilgin, sagte der Zeitung, die fünf größten der über 100 türkischen Organisationen müssten dabei sein. Dazu zählt Bilgin neben seiner eigenen die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), die Alevitische Föderation, die türkisch-deutschen Unternehmer und die Cem-Stiftung in Essen.

Gipfel als Farce bezeichnet
Der Leiter des Zentrums für Türkeistudien, Faruk Sen, nannte den Gipfel eine Farce. «Die Idee, einen solchen Gipfel abzuhalten, ist gut», sagte er der "Welt am Sonntag". "Aber wenn man schon mal so eine Chance hat, dann sollte man ihn besser vorbereiten." Die Regierung hätte Arbeitsgebiete auswählen und Arbeitsgruppen dazu einrichten sollen, sagt er.

Staatsministerin Böhmer wies die Kritik zurück. Sie habe schon im Juni Vertreter der Migranten eingeladen, um den Gipfel vorzubereiten. "Bei dem Treffen habe ich darauf hingewiesen, dass es nicht möglich sein wird, alle Vertreter der türkischen und islamischen Verbände zum Gipfel einzuladen", sagte die Staatsministerin.
(epd, KNA, dr)