Merkel: Scheitern der EU-Verfassung wäre historisches Versäumnis

"Europa ist der Kontinent der Toleranz"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ruft die 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf, gemeinsam die Weichen für Umsetzung der EU-Verfassung bis 2009 zu stellen. "Ein Scheitern wäre ein historisches Versäumnis!", warnte Merkel am Mittwoch in ihrer Antrittsrede als EU-Ratsvorsitzende vor dem EU-Parlament in Straßburg. Zugleich bekannte sich die Kanzlerin zu möglichen neuen EU-Erweiterungen um die Staaten des westlichen Balkans.
Merkel nannte als Grundlinie der halbjährigen deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die Freiheit Europas zu stärken und für mehr Vielfalt und Toleranz einzutreten.

 (DR)

"Europa ist der Kontinent der Toleranz", betonte sie und fügte hinzu, Verständnis für das Andere und für den Anderen dürfe "nicht mit Beliebigkeit und Standpunktlosigkeit" verwechselt werden. Europa sei dazu verpflichtet, überall in Europa und auf der ganzen Welt Toleranz zu fördern und allen zu helfen, Toleranz zu üben, betonte die Kanzlerin. Das heiße aber auch, der Anwendung von Gewalt entgegenzutreten. "Europa darf niemals auch nur das geringste Verständnis haben für Intoleranz, für Gewalt von Rechts- oder Linksextremen, für Gewalt im Namen einer Religion."

Erneut plädierte Merkel für ein Umdenken in der Nachbarschaftspolitik der EU. Der Beitrittswille vieler Länder könne nicht immer erfüllt werden, sagte die Kanzlerin, ohne einzelne Länder direkt zu nennen. Genau deshalb müsse die EU "mehr politischen Gestaltungswillen als bisher zeigen" und "vernünftige, attraktive Alternativen" entwickeln. Das betreffe vor allem die Zusammenarbeit mit der Schwarzmeerregion und Zentralasien.

Ausdrücklich bekannte sich Merkel zu einem weiteren Engagement der EU in Afghanistan. Dort könne nur «eine Kombination von militärischen und zivilen Anstrengungen» erfolgreich sein. "Alles Andere endet in einer Sackgasse", mahnte die deutsche Regierungschefin. Zudem rief sie zu neuen Friedensinitiativen im Nahen Osten auf und zu einer "geschlossenen Haltung" der EU im Umgang mit dem Nuklearprogramm des Iran.

Barroso: Berlin muss dunkle Wolken über EU vertreiben
Brüssel setzt hohe Erwartungen in die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Bis zum Ende des deutschen EU-Vorsitzes Mitte 2007 sollte nicht nur ein Fahrplan für den derzeit auf Eis liegenden EU-Verfassungsprozess vorliegen, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch im EU-Parlament in Straßburg. Berlin müsse auch die «dunklen Wolken, die derzeit über Europa sind», vertreiben. Die Europäische Union müsse nach innen demokratischer werden, sich
auf ihre Werte besinnen und diese in der Welt geschlossen vertreten, forderte Barroso.