Katholische Laien verärgert über Pauschalvorwürfe Kardinal Meisners

Glaubens-Verdunkler

 (DR)

Für Theo Bolzenius, den Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), war die Nacht von Dienstag auf Mittwoch kurz. Um 7.30 Uhr saß er im Dom zu Fulda, um der Predigt zu lauschen, die der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner den dort zur Herbstvollversammlung angereisten Bischöfen hielt. Was Bolzenius hörte, war eine Philippika gegen den Glaubensverfall, gegen glaubensfeindliche Kirchenstrukturen, gegen Kindergärtnerinnen und Katecheten, die nicht mehr richtig katholisch seien; er warnte, dass das „Gift des Halbglaubens" die „Überzeugungskraft des wahren Glaubens" zersetze. Die Sätze, derentwegen der ZdK-Sprecher, der zufällig einen Termin in Fulda hatte, früh aufgestanden war, fielen jedoch nicht. Warum, das ist eine kuriose Geschichte.
Am Abend zuvor hatte die ominöse Passage noch in dem schriftlich verbreiteten Redetext des Kardinals gestanden: Meisner zitierte dort einen Leserbrief, dessen Autor dem Zentralkomitee und mehreren katholischen Verbänden vorwirft, sie würden sich „ihre antikatholische und antirömische Verkündigung aus dem Kirchensteuertopf honorieren lassen". Der Kardinal kommentierte diese Beschuldigungen in seinem Predigttext mit den Worten: „,Man wird dieser Kritik aus dem Volke kaum widersprechen können. Manche Verbände verdunkeln den Glauben. "Sperrfrist 7.30 Uhr, es gilt das gesprochene Wort." Normalerweise sind solche Bischofsreden eine Pflichtübung für die Journalisten, die schon einmal die Meldung für den nächsten Morgen vorbereiten. Doch diesmal wurden sie hellhörig: Der Satz, gesprochen am Grab des Deutschen-Missionars Bonifatius wäre eine Kriegserklärung an den katholischen Laienkatholizismus. So lasen es dann auch die alarmierten Bischofskollegen; sie drängten Meisner, wenigstens den einen Satz zu streichen. Es drohte ein Eklat: „Wenn dies so gesagt worden wäre, hätte ich dagegen Stellung beziehen müssen", sagt Gebhardt Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Eine Gegendarstellung zur Predigt - das wäre noch nie da gewesen.
Schließlich sparte sich Kardinal Meisner dann den direkten Angriff auf die Verbände - das ursprüngliche Manuskript hatte natürlich längst die Runde unter den Journalisten gemacht und war auch zum Zentralkomitee gelangt. Meisner sagte in seiner Predigt dann nur, dass „manche unserer Einrichtungen" den Glauben verdunkelten, was den offenen Streit verhinderte. Intern aber ist der Ärger über den Inhalt und Form der auch in dieser Version noch immer heftigen Pauschalkritik groß: In den katholischen Verbänden engagieren sich Millionen Menschen, die sich nun als Glaubensverdunkler angesprochen fühlen dürfen. Es ist nicht neu, dass sich nach Meisners Ansicht die Kirche zu sehr auf die Welt eingelassen hat. Aber dass er, nicht zum ersten mal, die Bischofskonferenz als Forum gebraucht, das sorgt für Ärger in Fulda.
Vielleicht, sagt Bolzius, sollte sich doch ein Bischof vor die gescholtenen Laien stellen, um zu zeigen, dass Meisner in dieser Frage eine klare Minderheitenposition vertrete. Meisner behauptet, viele Bischöfe teilten seine Kritik. Dem Sender domradio sagte er, die Kirche müsse entschlacken und schlanker werden und aggressiv und progressiv in die Gesellschaft hineinwirken, aber nicht mit einem so müden Haufen, wie wir uns zur Zeit darstellen".