Katholische Kirche trifft zum ersten Mal Linkspartei

Kleine Sensation

Keine Fotos, keine Presse. Schließlich ging es um eine kleine Sensation: Kardinal Karl Lehmann traf sich am Donnerstag im sonnigen Berlin zu einem gut eineinhalbstündigen Gespräch mit den prominentesten Köpfen der Linkspartei - Gregor Gysi, Oskar Lafontaine. Nie zuvor kamen katholische Kirche und die Nachfolger der SED-Nachfolgepartei so prominent zusammen.

 (DR)

Grundlegende Aspekte der katholischen Soziallehre
Von beiden Seiten war lediglich zu erfahren, dass das Gespräch stattgefunden habe. "Wir haben vereinbart, die Gespräche fortzusetzen", ließ Lafontaine sich noch zitieren. Offenbar ging es um grundlegende Aspekte der katholischen Soziallehre, auf die sich Lafontaine, dessen Studium in den 60er Jahren die katholischen deutschen Bischöfe mit einem Stipendium des Cusanuswerks förderten, gern mal beruft. In der Tat fällt auf, dass es rund um Lafontaine oder auch den SPD-Linken Ottmar Schreiner einige bewusst katholische Abgeordnete gibt.

Zu vermuten ist, dass es auch um die Programmatik der Linkspartei und um antikirchliche Strömungen und Traditionen ging. Sie sind seltener geworden als in den 90er Jahren. Im PDS-Programm von 2003 tauchen Kirchen nebensächlich an einer Stelle auf, wo dem ethischen Engagement derer, die in Kirchen, Religionsgemeinschaften und kirchlichen Sozialeinrichtungen tätig sind, Achtung und Unterstützung bekundet wird. Kein direktes Wort zu den Kirchen selber, deren Rechtsstellung vor gut zehn Jahren immer mal wieder komplett in Frage gestellt wurde. Eine Klärung dieses Verhältnisses sehen Kirchenvertreter bis heute nicht.

Bemühen der PDS um Annäherung seit langem
Doch ist die Kritik auch nicht mehr scharf. Noch im Oktober 2006 betonte Lehmann nach einem Spitzengespräch mit den Grünen, die Bischofskonferenz habe zur PDS eine geringere Nähe als zu allen anderen Parteien im Parlament. Ostdeutsche Bischöfe mit DDR-Erfahrung urteilen strikt, aber sachlich. So analysierte der Magdeburger Bischof Gerhard Feige vor der Bundestagswahl 2005, die PDS sei im Osten die einzige Partei, "die ein Milieu hinter sich hat". Dazu zählten sicher ehemalige Funktionäre und Befürworter der DDR, aber auch Verlierer der Einheit wie Langzeitarbeitslose und Protestwähler. Verdammung klingt anders.

Das Bemühen der PDS um Annäherung ist seit langem mit Händen zu greifen. Vor einer Woche hockte Petra Pau als einziges Mitglied des Bundestags-Präsidiums beim Empfang der Apostolischen Nuntiatur zum Jahrestag der Papstwahl ein wenig verloren zwischen Bischöfen und tauschte vorsichtig einige Worte mit Berlins Kardinal Georg Sterzinsky. Bodo Ramelow, einer der einflussreichsten in PDS-Reihen und Kirchenbeauftragter der Fraktion, suchte im September beim traditionellen Michaelsempfang der Bischöfe emsig das Gespräch. Und vor dem Weltjugendtag 2005 zeigte der gastgebende Kölner Kardinal Joachim Meisner seine Überraschung, dass als erster Politiker Lothar Bisky seine Anmeldung zu allen Veranstaltungen geschickt habe.

Fortsetzen und Intensivieren
Sicher ist: Weder Lafontaine noch Gysi sind beim Thema Kirche "die" Linkspartei. Der bekannte DDR-Anwalt, selber bekennender Atheist, betonte in jüngerer Zeit mehrfach, wie unersetzbar in seinen Augen Kirchen zur Wertevermittlung seien. Allein sie könnten noch moralische Maßstäbe setzen. Da reiben sich manche derer, die als Kirchenvertreter in Berlin die faktische Verdrängung des Religionsunterrichts aus den Schulen durch den rot-roten Senat erleben, verwundert die Augen.

Manches an diesem Donnerstag erinnert an das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und den Grünen, auch wenn der Graben zu den Sozialisten ungleich tiefer ist. Schließlich waren die Joschkas früher nicht selten ehemalige Messdiener, die "Linken" eher Christen ausgrenzende Parteisoldaten. Trotzdem: Als an einem Dezemberabend 1997 Lehmann mit einigen Spitzengrünen zusammenkam, gab es keine O-Töne, keine Kameras. Der Dialog - das war den politischen Gästen wichtig, solle "fortgesetzt und intensiviert"
werden. "Normalisierung" hieß das damals noch nicht.