Treffen der EU-Spitzen mit Religionsführern in Brüssel

Merkel trifft Lehmann und Huber

Führende Vertreter der großen Religionsgemeinschaften in Europa sind am Dienstag in Brüssel mit den Spitzen der europäischen Institutionen zusammengekommen. Es war das zweite Treffen dieser Art. 2006 wurde viel geredet, aber kaum miteinander. Von einem wirklich thematisch zentrierten Gespräch konnte auch diesmal keine Rede sein.

 (DR)

Nicht mal eine Viertelstunde Redezeit pro Redner
Voriges Jahr dauerte die Begegnung insgesamt fünf Stunden. Doch bei 16 Teilnehmern auf der Seite der Religionsführer stand jedem von ihnen nicht mal eine Viertelstunde Redezeit zur Verfügung.

Vor allem wurde aus Kirchenkreisen bedauert, dass viel Zeit auf das Vortragen vorbereiteter Erklärungen, wenig nur für den tatsächlichen Dialog verwendet wurde. COMECE-Präsident van Luyn plädierte dafür, künftige Treffen zielgerichteter zu organisieren, sie besser vorzubereiten und etwa unter bestimmte Themen zu stellen. Auch der EKD-Ratsvorsitzende Huber kritisierte die Abgabe vorbereiteter Erklärungen als wenig produktiv.

Von einem wirklich thematisch zentrierten Gespräch konnte aber auch in diesem Jahr keine Rede sein. Zwar standen Menschenrechte und Menschenwürde im Mittelpunkt. Den Teilnehmern wurden Fragen vorgelegt, auf die sie in ihren Stellungnahmen eingehen sollen. Doch die Formulierungen waren so offen, dass auch diesmal viel Gelegenheit zur Abgabe von Erklärungen blieb.

Merkel warb für Toleranz
Bundeskanzlerin Angela Merkel warb beim diesjährigen Treffen für Toleranz: "Gerade wir in Europa sind dazu verpflichtet, Toleranz zu fördern und anderen zu helfen, Toleranz zu üben." Zu den Kernüberzeugungen Europas gehöre, dass es keine Toleranz gegenüber Intoleranz geben dürfe.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte, der europäische Einigungsprozess beruhe auf gemeinsamen Werten. "Weder die geografische Nähe noch eine gemeinsame Geschichte reichen aus, um einen Verbund von Staaten und Völkern dauerhaft zu zementieren", so Barroso. EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU) hob ebenfalls die Bedeutung des Wertes Toleranz hervor.

Der Vorsitzende der EU-Bischofskommission COMECE, Bischof Adrianus van Luyn plädierte dafür, über die Begegnung der Spitzen-Repräsentanten beider Seiten hinaus nach weiteren Wegen zu suchen, um einen strukturierten Dialog der EU und der Religionsgemeinschaften zu gewährleisten. - An einem ersten Treffen von Religionsvertretern mit der EU-Führung vor einem Jahr hatte der damalige Europaparlaments-Präsident Josep Borrell nicht teilgenommen.

Erstes Treffen 2006
Bereits Mai 2006 hatten erstmals gemeinsam EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und der damalige EU-Ratsvorsitzende Wolfgang Schüssel die Religionsführer eingeladen hatten.

Für die katholische Kirche kamen Kardinal Karl Lehmann als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Er wurde begleitet von Bischof Adrianus van Luyn, dem Präsidenten der EU-Bischofskommission COMECE. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) war durch ihren Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, vertreten.

Repräsentanten unter anderem der Orthodoxie, der angelikanischen Kirchen sowie des Judentums und der Muslime beteiligen sich ebenfalls.

"Strukturierter Dialog" mit Kirchen
Mit der Veranstaltung nahm die EU einen Teil der (noch) nicht verwirklichten EU-Verfassung vorweg, die einen "strukturierten Dialog" mit Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften vorsieht. Ob dieser Verfassungsartikel die Debatte um die Zukunft des Verfassungsvertrags übersteht, steht allerdings noch nicht fest.

Freilich gab es entsprechende Gespräche schon früher. Neu an dem Treffen vor einem Jahr war vor allem, dass nicht die EU-Kommission alleine die EU vertrat. Frühere Begegnungen, vor allem nach dem 11. September 2001, wurden vorrangig von ihr organisiert. Auch babei ging es vor allem um Toleranz und Respekt in einer multikulturellen Gesellschaft.

Einer fehlte diesmal
Und einer fehlt diesmal: der Dalai Lama, das geistige und weltliche Oberhaupt der Tibeter. Eigentlich hatte er einen Belgien-Aufenthalt fast zeitgleich zu dem EU-Treffen geplant.

Doch China brachte Vorbehalte gegen den Belgien-Besuch vor - woraufhin Belgien fürchtete, die wirtschaftlichen Beziehungen mit Peking könnten in der Sache Schaden nehmen. Der Dalai Lama zog die Konsequenz und sagte ab. Auch das ein mögliches Thema für den Dialog zwischen Religionen und EU.