Neue Kampagne für den Sonntagsschutz

"Leben ist mehr als Shoppen"

An vier Sonntagen im Jahr dürfen die Geschäfte laut Gesetzgeber öffnen.
Mit der Föderalismusreform im vergangenen Jahr steht es den Bundesländern allerdings frei, wie eng sie die Ladenöffnung auslegen. Mit einer neuen Kampagne will sich die Evangelische Kirche in NRW nun für den Sonntagsschutz stark machen.

 (DR)

Buß: Ökonomischen Manövriermasse
"Der Sonntag wird immer mehr zur ökonomischen Manövriermasse, der Ruhetag als ungenutzte Ressource im Kampf um Wettbewerbsvorteile verstanden", kritisierte der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß, am Freitag.

Weil alle Appelle der Kirchen und Gewerkschaften nach einem flächendeckenden Verkaufsverbot bislang verhallten, startete die evangelische Kirche eine bundesweite Plakataktion für den Sonntagsschutz. Unter dem Motto "Gott sei Dank, es ist Sonntag" sind Familien auf der grünen Wiese oder Kirchtürme unter blauem Himmel zu sehen. Der arbeitsfreie Sonntag sei ein Geschenk an alle Menschen, das eine Atempause im Alltag verschaffe, sagt die Vize-Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Petra Bosse-Huber, beim NRW-Auftakt in Wuppertal. Getreu dem Motto: Leben ist mehr als Shoppen.

"Aber man passt sich halt an"
Ruth Maus holt Parfümfläschchen aus dem Regal, lässt die Kunden riechen, zeigt das hautfreundliche Make-up und weist den Weg zu den Shampoos. Nur an die Kasse eilt die Verkäuferin an diesem Sonntag selten. "Weil wir zusätzlich öffnen, haben die Leute nicht mehr Geld und geben mehr aus", beobachtet die stellvertretende Filialleiterin einer Aachener Drogerie. Sonntags sei der Laden zwar voll, doch es streiften größtenteils Laufkunden durchs Geschäft. "Aber man passt sich halt an, damit man nicht zurücksteht."

Ruth Maus stimmt der Ansicht der Kirchen zu. Sonntagsarbeit sei "sehr unsozial und familienfeindlich", sagt sie. Dennoch ist sie prinzipiell dafür, denn es gebe "genug Leute, die arbeitslos sind und einen Job brauchen". Also mehr Arbeitsplätze durch mehr Shopping? Diese Rechnung ist laut Gewerkschafterin Liselotte Hinz bislang nicht aufgegangen.

"Ein ruinöser Verdrängungswettbewerb"
Seit dem Jahr 2000 seien bundesweit 252.000 Vollzeitarbeitsplätze vernichtet und das Arbeitsvolumen um 13,2 Prozent verringert worden, rechnet die Landesfachbereichsleiterin Handel bei ver.di NRW in Düsseldorf vor. Während der Umsatz im Einzelhandel seit Jahren stagniere, seien die Verkaufsflächen um neun Millionen Quadratmeter erhöht worden.

"Die logische Folge ist ein ruinöser Verdrängungswettbewerb", kritisiert Hinz. Leidtragende seien zahlreiche mittelständische Unternehmen und das Personal, das trotz niedriger Tarifeinkommen stetig abgebaut werde. "Ein Drittel aller Arbeitsplätze sind heute Minijobs." Von den Beschäftigten werde eine hochflexible Teilzeitarbeit verlangt, für die es an Sonntagen und Samstagen mit Öffnungszeiten bis 22 Uhr bis zu hundertprozentige Zuschläge gebe.

Als großes Plus des verkaufsoffenen Sonntags sieht Rainer Gallus vom Rheinischen Einzelhandelsverband NRW die Shoppingatmosphäre. "Mehr Umsatz machen die Geschäfte an diesem Tag meistens nicht", räumt er ein. Aber die Sonntagsöffnung sei wichtig für das Image und die Kundenbindung. Eine vollständige Freigabe des Sonntagsverkaufs hält jedoch auch Gallus allerdings für kontraproduktiv: "Dann würde der besondere Erlebnischarakter fehlen."