Protestanten feierten Reformationstag mit Gottesdiensten

95 Thesen, fast 500 Jahre alt

Mit zahlreichen Gottesdiensten und Vorträgen hat die evangelische Kirche in Deutschland am Mittwoch an den Beginn der Reformation vor 490 Jahren erinnert. Im Mittelpunkt stand dabei das traditionelle Reformationsfest in Wittenberg. An der Wittenberger Schlosskirche schlug der Überlieferung zufolge Martin Luther (1483-1546) am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an und leitete damit die Reformation ein. Der Reformationstag ist in den ostdeutschen Bundesländern mit Ausnahme von Berlin gesetzlicher Feiertag.

 (DR)

Der Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer hob die bis in die Gegenwart reichende Wirkung der Reformation hervor. Luthers gegen den Ablasshandel gerichtete Thesen hätten mit der Behauptung begonnen, dass das ganze Leben des Christen eine Umkehr sei. Ohne Umkehr aber drohten Gefahren für den Frieden, für die Schöpfung und für den sozialen Ausgleich, erklärte Schorlemmer laut Predigtmanuskript im Festgottesdienst in der Schlosskirche.

Der Präsident des Gustav-Adolf-Werks, Wilhelm Hüffmeier, würdigte den Reformator als «Wächter des Gemeinwesens». Luther sei mit einem «ich nicht» den «furchtbaren Missständen» der damaligen Kirche entgegengetreten, sagte der Theologe in der Stadtkirche.

Hannovers Landesbischöfin Margot Käßmann bedauerte, dass der Reformationstag in der Öffentlichkeit so wenig wahrgenommen werde.

«Luthers Erkenntnis, dass wir in Glaubensdingen weder Papst noch Kaiser brauchen, ist immer noch wegweisend und modern», sagte sie der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung». Käßmann äußerte sich zuversichtlich, dass die Bedeutung des Reformationstages eher wachsen dürfte - nicht zuletzt wegen der 2017 anstehenden 500-Jahr-Feier der Reformation.

Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter von der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche nannte die Reformation «einen großen Aufbruch der Geistesgeschichte, durch den sich das Gesicht der Welt verändert hat». Martin Luther sei aus der «theologischen Enge und Bevormundung der mittelalterlichen Kirche herausgetreten», sagte sie laut Redetext bei der Reformationsfeier in Köln. Christen heute müssten sich einmischen in die Gegenwart und Zukunft ihres Landes, Europas und der globalisierten Welt.

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker forderte die Kirchen auf, sich immer wieder von ihren Wurzeln her zu erneuern. «Der Aufruf zur beständigen Erneuerung der Kirche gilt für all unser Tun auf evangelischer und katholischer Seite und erst recht im ökumenischen Miteinander», sagte er auf einem Empfang der Evangelischen Kirche von Westfalen in Schwerte zum Reformationstag. Becker räumte ein, der ökumenische Dialog sei in den letzten Jahren «etwas komplexer geworden».