Zentralrat der Juden gegen Münchner Karnevalsumzug am Holocaust-Gedenktag - Keine rechtliche Handhabe

Wenn sich Bayern an Karneval versuchen

Seit zwei Jahren gibt es in München einen kleinen Faschingsumzug, in diesem Jahr soll er ausgerechnet am Sonntag stattfinden, dem Holocaust-Gedenktag. Schirmherr und Teilnehmer ist Oberbürgermeister Ude. Der Zentralrat der Juden befürchtet eine "Entehrung des Gedenktags". Durch solche Umzüge würden die Opfer düpiert. Die Veranstalter haben den Zugweg geändert, können jedoch den Termin nicht mehr verschieben.

 (DR)

Als Begründung nennen der veranstaltende Münchner Verein "Die Damischen Ritter", der Gedenktag sei erst 2005 von den Vereinten Nationen festgelegt worden. Allerdings findet der betroffene Umzug erst seit 2006 statt. Zudem erklärte Bundespräsident Roman Herzog schon 1996 diesen Tag in Erinnerung an den NS-Völkermord und Rassenwahn zum nationalen Holocaust-Gedenktag. Am 27. Januar jährt sich die Befreiung der Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee 1945.

Korn betonte, der Münchner Faschingsumzug am Holocaust-Gedenktag beleidige die Opfer und werfe ein fragwürdiges Bild auf die Erinnerungskultur in Deutschland. Graumann bezeichnete es als geschmacklos, dass die politisch Verantwortlichen und die zuständigen Genehmigungsbehörden "offensichtlich gedankenlos ihr Einverständnis mit der Terminplanung signalisiert" hätten. Das führe den Holocaust-Gedenktag ad absurdum.

"Umzug am Holocaust-Gedenktag rechtlich nicht zu verhindern"
Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) sieht keine rechtliche Handhabe, um einen am Holocaust-Gedenktag geplanten Faschingsumzug zu verhindern. Der Gedenktag am 27. Januar sei kein Feiertag und genieße auch sonst keinerlei gesetzlichen Schutz, erklärte Ude dem Berliner "Tagesspiegel". "Die Behörden verfügen deshalb auch über keine rechtliche Handhabe, Vergnügungsveranstaltungen an diesem Tag zu unterbinden."

Der Veranstalter habe sich "nach Beginn der erst sehr spät einsetzenden Kritik" nicht mehr in der Lage gesehen, den Umzug mit ausländischer Beteiligung noch zu verlegen, so Ude weiter. Er habe aber angekündigt, künftig eine Terminüberschneidung zu vermeiden. In diesem Jahr aber, wolle er sowohl Schirmherr der Veranstaltung bleiben, als auch bei dem Zug mitfahren - allerdings nicht als Narr verkleidet.

Gedenkstunde im Bundestag
Der Bundestag gedenkt am Freitag der Opfer des Nationalsozialismus. Bei der Gedenkstunde im Reichstagsgebäude wird die Schauspielerin Angela Winkler die Rede des diesjährigen Ehrengastes, der deutsch-tschechischen Schriftstellerin Lenka Reinerova, verlesen, wie die Parlaments-Pressestelle am Mittwoch in Berlin mitteilte. Die 91-jährige Reinerova, die als letzte noch lebende Vertreterin der einst blühenden deutschsprachigen Literaturszene Prags gilt, kann aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Veranstaltung teilnehmen.

Auch in anderen Ländern wird am 27. Januar der Opfer des Holocaust gedacht. Der Begriff "Holocaust" leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet "Brandopfer". Er wird heute für den Völkermord an den europäischen Juden, den Sinti und Roma und anderen Bevölkerungsgruppen durch die Nationalsozialisten verwendet.

Als Schlüsseldokument des Holocaust gilt der Auftrag von NS-Reichsmarschall Hermann Göring an den Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, Reinhard Heydrich, vom 31. Juli 1941, einen organisatorischen Plan für die "Endlösung der Judenfrage" vorzulegen. Am 3. September des selben Jahres wurden die ersten Häftlinge im Vernichtungslager Auschwitz mit Gas umgebracht. Auf dem Gebiet der Sowjetunion erschossen vier nationalsozialistische Einsatzgruppen bis zum Frühjahr 1942 zwischen 550.000 und einer Million Juden.

Nach der "Wannsee-Konferenz", auf der NS-Führer am 20. Januar 1942 den systematischen Judenmord in den von Deutschen beherrschten Gebieten vorbereiteten, wurde der Ausbau der Vernichtungslager in den besetzten Gebieten wie Auschwitz-Birkenau, Belzec, Sobibor und Treblinka beschleunigt. Bis zum Kriegsende wurden nach unterschiedlichen Angaben zwischen 5,2 und sechs Millionen Juden ermordet. Die genaue Zahl der Getöteten ist nicht zu ermitteln. Während 1939 etwa 9,2 Millionen Juden in Europa lebten, waren es nach 1945 nur noch knapp drei Millionen.