Erster Kongress zum Genozid in Kurdistan geht zu Ende

Die Vergangenheit anerkennen

Vor 20 Jahren wurden nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch rund 8000 nordirakische Kurden durch Giftgasanschläge grausam getötet. Dieser Völkermord unter der Federführung des Regimes von Saddam Hussein wartet bis heute auf internationale Anerkennung. Gestern ging die erste Konferenz im Irak zu diesem dunklen Kapitel in der Geschichte des Landes zu Ende.

 (DR)

Der Genozid des irakischen Regimes von Saddam Hussein an den Kurden müsse endlich untersucht, dokumentiert und international anerkannt werden - dies hat sich der internationale "Kongress zum Genozids in Kurdistan" zum Ziel gesetzt, der nun in Erbil, der Hauptstadt des irakischen Bundesstaates Kurdistan, zu Ende geht.

Überlebende in Erbil vertreten
65 Genozidexperten aus Nordamerika, Europa und Asien, darunter Strafrichter aus den Niederlanden, den USA, Großbritannien, Dänemark, die sich mit Kriegsverbrechen befassen, und Vertreter des Irakischen Sondertribunals für Kriegsverbrecher aus Bagdad, diskutierten unter anderem über die rechtliche Dimension des Völkermords an den Kurden, dessen soziale und psychologischen Folgen und seine wirtschaftlichen und demografischen Auswirkungen.

Auf der Konferenz waren jedoch nicht nur Experten vertreten. Auch Überlebende aus verschiedenen Regionen des Nord-Irak nahmen teil. So habe man sich nicht nur wissenschaftlich, sondern auch emotional mit den Geschehnissen auseinandersetzen müssen, so Dr. Kamal Sido, Referent für den Nahen Osten bei der GfbV. "Das unterscheidet diesen Kongress von anderen Aktivitäten gegen den Genozid."

Die GfbV hat seit 1970 bis 2003 kontinuierlich die Kriegs- und Genozidverbrechen des Diktators Saddam Husseins dokumentiert, ist für die Rechte der verfolgten Volksgruppen und Religiösen Minderheiten des Irak eingetreten und hat humanitäre und Wiederaufbauinitiativen in die Wege geleitet.

Seit dem 22. Januar hält sich die GfbV-Delegation im irakischen Bundesstaat Kurdistan auf. Unter anderem führte sie dort Gespräche mit 50 Repräsentanten kurdischer, arabischer, turkmenischer und assyrischer Organisationen aus Kirkuk, mit Sprecherinnen der Frauenorganisation aus dieser Stadt und mit der Witwenorganisation "Wiedergeburt" (Vejin), in der die Witwen und Mütter der 8.000 im Jahre 1983 ermordeten kurdischen Jungen und Männer aus dem Barzan-Tal zusammengeschlossen sind.

Giftgaseinsätze und Massenerschießungen
Unter der Herrschaft der Baath Partei des ehemaligen irakischen Diktators Saddam Hussein hatten Kurden, Assyro-Chaldäer und Turkmenen von 1968 bis 2003 bis zu 500.000 Opfer zu beklagen. Auch Tausende von Angehörigen aller anderen irakischen Nationalitäten und Religionsgemeinschaften sind Vernichtungs- und Vertreibungsverbrechen zum Opfer gefallen. Allein bei der so genannten Anfal-Offensive 1987/88 starben 182.000 Menschen. Darunter überwiegend Kurden, die durch den Einsatz chemischer Kampfstoffe qualvoll starben. Wenn sie den Giftgaseinsatz überlebt hatten wurden sie bei Massenerschießungen von Einsatzgruppen getötet. Viele weitere Menschen starben überdies während und nach den Zwangsumsiedlungen.

Mehrere Tonnen Dokumentationsmaterial analysiert
1983 wurden 8.000 Männer und Knaben im Barzan-Tal, unter ihnen auch die Männer eines christlichen Dorfes, entführt und liquidiert. Der Organisator der Anfal-Offensive, der Cousin Saddam Husseins, Ali Hassan Al-Majid, hat 100.000 Opfer eingestanden. Diesen Genozid haben Administration, Armee und Einsatzgruppen Saddams in allen Einzelheiten registriert und akribisch festgehalten. 14 Tonnen dieses Dokumentationsmaterials wurden in den USA von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gesichtet und analysiert.
(Quelle: GfbV)