Streit um neues Karfreitagsgebet überschattet Katholikentag

Theologische Feinheit oder politisches Problem?

Eigentlich sollte die abgemilderte Fürbitte katholischen und jüdischen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die teils vehement protestiert hatten, als Benedikt XVI. die vorkonziliare Messe im vergangenen Jahr wieder freigab. Stattdessen hat der Papst mit seiner Neufassung des umstrittenen Karfreitagsgebets für die Juden in der lateinischen Messe nach altem Ritus ungewollt für neuen Zündstoff gesorgt.

 (DR)

Ein Teil des Judentums reagierte empört darauf, dass eine Minderheit der Katholiken am 21. März nach der Neufassung darum betet, dass Gott die Herzen der Juden "erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Erlöser aller Menschen". Bereits Papst Johannes XXIII. hatte 1962 die Fassung des Gebets entschärft. Dennoch war immer noch die Rede von einer "Verblendung jenes Volks", das in "Finsternis" lebe. Aber auch nach der neuerlichen Revision durch Benedikt geht es um die Hoffnung, dass auch die Juden in die Kirche eintreten.

Die italienischen Rabbiner interpretierten die als beleidigend empfundene Neufassung als schweren Rückschlag für den seit vierzig Jahren unter Mühen geführten Dialog mit der katholischen Kirche und beschlossen eine "Denkpause". Jüdische Vertreter aus Deutschland sagten empört ihre Teilnahme am Kirchentag in Osnabrück im Mai ab oder zeigten sich erstaunt über Benedikts Bild des Judentums, das in der Fürbitte deutlich werde.

Der Gesprächskreis "Juden und Christen" des Zentralkomitees der deutschen Katholiken bezeichnete die neue Karfreitagsfürbitte als Belastung der christlich-jüdischen Beziehungen und forderte deren Rücknahme. Der vom deutschen Papst zitierte jüdische Gelehrte Jacob Neusner verteidigte die Fürbitte dagegen mit dem Argument, auch Juden beteten für die Ungläubigen. Die katholische Kirche habe ein Anrecht darauf, das gleiche zu tun, ohne damit Angehörige anderer Religionen zu beleidigen.

Kasper verteidigt die Fürbitte
Der im Vatikan für die Beziehungen zum Judentum zuständige deutsche Kurienkardinal Walter Kasper verteidigt die Fürbitte um eine Bekehrung der Juden als "endzeitliche Hoffnung", die keine Aufforderung zur Judenmission beinhalte. Für den ehemaligen Rottenburg-Stuttgarter Bischof berührt der Streit um das Karfreitagsgebet die Frage der Religionsfreiheit. Jede Glaubensgemeinschaft habe ein Anrecht darauf, ihre Auffassungen zu äußern.

Der Glauben an Jesus Christus als Erlöser unterscheide das Christentum vom Judentum. "Das ist kein Hindernis für den Dialog, denn der Dialog setzt voraus, dass man die unterschiedlichen Positionen, das heißt die Identität des jüdischen Glaubens und die Identität des christlichen Glaubens, gegenseitig anerkennt."

In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gibt es einen breiten Konsens in der Absage an jegliche Form der Judenmission.
Einige evangelische Theologen weisen jedoch darauf hin, dass nach Auslegung der Bibel Christen grundsätzlich niemandem in der Welt das Zeugnis für Christus verweigern dürften.

Verständnis der katholischen Seite für jüdische Sensibilität
Der unter Kurienkardinal Kasper im Päpstlichen Einheitsrat für Kontakte zum Judentum zuständige Norbert Hofmann betont das Verständnis der katholischen Seite für jüdische Sensibilität.

Gleichzeitig weist der Salesianer aber darauf hin, dass selbst innerhalb der kleinen Minderheit, die in der katholischen Kirche nicht nach dem neuen Messbuch von 1970, sondern nach dem alten von 1962 Gottesdienste feiert, das umstrittene Gebet nur von einer verschwindend geringen Zahl von Gläubigen gesprochen werde.

Denn nach dem päpstlichen "Motu proprio", das im vergangenen Juli die alte lateinisch Messe aufwertete, indem sie diese nun auch ohne Sondererlaubnis stattfinden lässt, sind die liturgischen Texte der Ostertage ausgenommen. Auch heute darf die Karfreitagsfürbitte also nur von Gemeinden mit Sondergenehmigung - auf Latein - gebetet werden.

Von Bettina Gabbe (epd)