Hakoah Bochum

Selbst der Fußball trug den Davidstern

Hakoah Bochum war 1938 letzter deutscher jüdischer Fußballmeister. Die besten Fußball-Mannschaften Europas suchen derzeit in Österreich und der Schweiz ihren Meister.

Autor/in:
Andreas Rehnolt
 (DR)

Ein Endspiel besonderer Art fand vor 70 Jahren in Köln statt: Im Finale um den Titel des jüdischen Fußballmeisters in Deutschland standen sich im Juni 1938 die Bochumer Elf von Hakoah/Schild und der zweimalige Meister Stuttgart gegenüber. Damals musste selbst der Lederball den Davidstern tragen. Die Bochumer gewannen vor rund 400 Zuschauern souverän mit 4:1. Die Zeitung des "Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" berichtete tags darauf auf der Sportseite, der Titelverteidiger habe den Gegner wohl unterschätzt. Es sollte die letzte jüdische Fußballmeisterschaft im nationalsozialistischen Deutschland sein. Kurz nach dem Spiel wurde den Juden jede sportliche Aktivität verboten.

Die Bochumer Spieler kickten damals unter ihrem Kapitän Erich Gottschalk. Ehefrau, Tochter und Eltern Gottschalks kamen wenig später in den Konzentrationslagern der Nazis ums Leben. Er selbst überlebte die Lager und einen Todesmarsch schwer traumatisiert. Er starb 1996 in den Niederlanden, wo er seit Kriegsende lebte. Vom Tod seiner Angehörigen erfuhr er erst lange nach 1945.

Lange vergessenes Kapitel in der Aufarbeitung
Das Thema Fußball gehörte lange Zeit zu den vergessenen Kapiteln in der Aufarbeitung jüdischen Alltagslebens vor dem Zweiten Weltkrieg.
Bereits um das Jahr 1900 herum wurden eigene jüdische Vereine gegründet, um angesichts des generell zunehmenden Antisemitismus Stellung zu beziehen. In den zwanziger Jahren gab es bereits flächendeckend in fast allen großen Städten des Ruhrgebiets jüdische Sportvereine, die eine eigene Fußballmeisterschaft ausrichteten.

Ausgerechnet das Jahr 1933, in dem die Nationalsozialisten an die Macht kamen, bedeutete für diese Liga nach außen hin einen Aufschwung. "Nun drängten auch die aus den bürgerlichen Vereinen ausgestoßenen Kicker in die jüdischen Fußballclubs", berichtet Henry Wahlig, der maßgeblich am Zustandekommen der Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im Deutschen Fußball" beteiligt war.

Die Ausstellung wird derzeit in der evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau gezeigt.
Im November 1938, nur wenige Monate nach dem Gewinn des Meistertitels durch die jüdischen Kicker aus Bochum, wurde den Juden jegliche sportliche Aktivität verboten. Im KZ Theresienstadt, das als "Musterlager" der Nationalsozialisten die internationale Öffentlichkeit in die Irre führen sollte, ließen die braunen Machthaber später Fußballspiele zu und erlaubten den Häftlingen, eigene Ligen zu gründen.

Nach dem Ausschluss jüdischer Mitglieder in den Fußballclubs gab es Historikern zufolge keine ernsthaften Versuche, für diese Mitglieder einzutreten. Nur einzelne Vereine wie Bayern München hielten zumindest den Kontakt aufrecht und ließen ihre jüdischen Mitglieder so lange wie möglich am Vereinsleben teilhaben.

"Dem Ball is' egal, wer ihn tritt"
Berühmt wurden zwei jüdische Nationalspieler: Julius Hirsch mit sieben und Gottfried Fuchs mit sechs Berufungen. Fuchs erzielte 1912 in einem Spiel gegen Russland zehn Tore, er ist mit diesem Ergebnis bis heute Rekordhalter in Deutschland. Hirsch gilt als Beispiel für die brutale Ausgrenzung jüdischer Fußballer durch die Nationalsozialisten. Am 10. April 1933 schrieb er seinem Verein, dem Karlsruher FV, einen Brief. Er hatte in der Zeitung von dem Beschluss der süddeutschen Spitzenklubs gelesen, marxistische und jüdische Mitglieder auszuschließen.

Hirsch erklärte deshalb seine Absicht, aus dem Verein auszutreten, was ihm sehr nahe ging. Seine Kinder wurden nach Theresienstadt verschleppt, sie überlebten das Lager mit viel Glück. Hirsch selbst wurde 1943 im KZ Auschwitz ermordet. An ihn erinnert seit 2005 der vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) vergebene Julius-Hirsch Preis. Er wird an Menschen vergeben, die sich gegen rassistische, fremdenfeindliche oder extremistische Erscheinungsformen einsetzen. Im Jahr 2006 wurden die Fanprojekte von Schalke 04 "Dem Ball is' egal, wer ihn tritt" und von Borussia Dortmund "Kick racism out" mit dem Preis ausgezeichnet.

Die Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im Deutschen Fußball" in der KZ-Gedenkstätte Dachau ist bis September dienstags bis samstags von 10 bis 16 Uhr sowie sonntags von 12 bis 13 Uhr geöffnet.