Seelsorge des Bistums Aachen auf ehemaliger NS-Ordensburg

Ein kirchlicher Kontrapunkt

Seit der Öffnung für Besucher im Januar 2006 geht die Konversion der ehemaligen NS-"Ordensburg" Vogelsang im Nationalpark Eifel kontinuierlich voran. Bisher haben bereits über 350.000 Besucher das Gelände besucht. Das ökumenische Netzwerk "Kirche im Nationalpark" bietet nun Führungen durch die Gedenkstätte an. Erläutert werden das Menschenbild der Nazis und die Rolle der Kirchen im Nationalsozialismus. Kreuzwege und Besinnungstage runden das Angebot ab.

Autor/in:
Carmen Molitor
 (DR)

Die drei riesigen Männer an der Wand, die mit ihren stählernen Körpern und dem kaltem Blick den Meereswellen trotzen, fand er schon als Junge bedrohlich. Unter diesem Mosaik in der Schwimmhalle der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang lernte Georg Toporowsky schwimmen. Er wuchs in einem Eifeldorf neben der ehemaligen Kaderschmiede für den Nazi-Nachwuchs auf, als längst die belgische Armee das Gelände als Kaserne nutzte. Noch heute bringt es den 36-jährigen Pastoralreferenten ins Grübeln, wenn er die martialischen Körper sieht, die die Faschisten ihrem Führungsnachwuchs als überlebensgroße Skulpturen in allen Ecken von Vogelsang vor Augen hielten.

So sollten die NS-«Junker» werden, die die Nazis hier von 1936 bis 1939 ausbildeten: größer als das Leben, perfekter als die Natur, mächtiger als Gott. Hier durfte nur lernen, wer vorher aus der Kirche austrat und dem Glauben an einen Gott der Schwachen abschwor.

Siebzig Jahre später versucht Toporowsky an diesem Ort im Auftrag des Bistums Aachen Besucher über ihr eigenes Menschenbild zum Nachdenken zu bringen. Auf Führungen durch die Gedenkstätte erklärt er für das ökumenische Netzwerk «Kirche im Nationalpark» Gruppen das Menschenbild der Nazis und die Rolle der Kirchen im Nationalsozialismus, bietet Kreuzwege und Besinnungstage an.

«Es geht mir weniger um historische Daten oder Baugeschichte, sondern um den Ungeist, der damals hier herrschte», sagt der Pastoralreferent. Einer der zentralen Orte seiner Führungen, die er als Autodidakt vorbereitet hat, ist der «Kultsaal» im Turm. Dort, am Kopfende des ehemaligen Hörsaales, stand eine der martialischen Männerskulpturen als Blickfang für die gut 500 Schüler im Alter von Mitte 20. Heute braucht man Fotos aus der Zeit, um sich vorzustellen, wie die Inszenierung auf den Nazinachwuchs gewirkt haben muss. Der Turm ist von innen kahl und ausgeschlachtet, eine Mauer zum Hörsaal wurde gebaut, dessen Dachgeschoss nach der Zerstörung im Krieg viel tiefer eingezogen wurde als früher.

«Hier hat ein Rasselehrer einmal gesagt: Die Kirchen haben am deutschen Volk gesündigt, weil sie für die Schwachen und Verkommenen eingetreten sind», berichtet Toporowsky. «Nur einen Menschen mit der richtigen Rasse und dem richtigen Aussehen müsse man mit Respekt behandeln, die anderen nicht.» Deshalb sei Vogelsang für ihn ein Ort, an dem Christen und Kirche für ihren Einsatz für Menschenwürde und Menschenrechte Position beziehen müssten. Insbesondere Firmlingen mache er dies deutlich.

Wie sich die Gedenkstätte weiterentwickelt, ist noch unklar: Zwei Fixpunkte sind ein von der NRW-Landesregierung angekündigtes Dokumentationszentrum und eine Jugendherberge, die auf dem 110 Quadratkilometer großen Gelände eröffnet wird. Das Bistum Aachen hat für den 17. August die Einweihung einer restaurierten ehemaligen Kirche in Wollseifen im umgebenden Nationalpark als Ort der Stille angekündigt. Darüber hinaus werden dort Pilgerwege, eine Sternwallfahrt und gestaltete Wanderungen angeboten. Im Chor von Institutionen aus Bund, Land und Kreisen, die die Entwicklung speziell von Vogelsang bestimmen, haben die Kirchen dagegen offiziell keine Stimme. Viele wollen die Gedenkstätte weltanschaulich neutral belassen. «Aber wir haben den Fuß in die Tür bekommen, indem wir ihn reingestellt haben», erklärt Toporowsky.

Eine engagierte Kollegin aus dem Bistum Aachen bereitete den Weg dafür. Toporowsky hat jetzt ein Büro nahe dem Besucherzentrum und besetzt ab 1. September eine volle Stelle vom Bistum für die Seelsorge in Vogelsang und im Nationalpark Eifel. «Vogelsang könnte in guter Ort dafür sein, den interreligiösen Dialog zu verstärken und die kirchliche Rolle im Nationalsozialismus zu überdenken», findet der Pastoralreferent. Für beide Themen will er 2009 Ideen ausarbeiten.