Theologie nach Auschwitz

Stichwort

"Theologie nach Auschwitz" bezeichnet die Auseinandersetzung jüdischer und christlicher Theologen mit der Frage, ob und wie nach dem Holocaust noch von Gott gesprochen werden kann.

 (DR)

Es geht darum, ob an einen Gott geglaubt werden kann, der den Massenmord an sechs Millionen Menschen nicht verhinderte. Das theologische Gespräch darüber begann nicht unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern mit rund 30-jähriger Verzögerung in den 1970er Jahren und dauert bis heute an.

Der jüdische Holocaust-Überlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel schreibt: «Die Aussage, wir hätten für Gott gelitten, enthielte die Behauptung einer Rechtfertigung und versähe das Leiden, das Menschen über uns verhängt haben, mit religiöser Bedeutung.» Das aber wäre Verrat am Leiden. Der 2003 verstorbene Jerusalemer Rabbiner und Philosoph Emil L. Fackenheim formulierte neben den 613 biblischen Geboten das 614., dass es Juden verboten sei, «Hitler einen posthumen Sieg zu geben». Dies bedeute, die Millionen Ermordeten nicht zu vergessen und trotzdem als Juden weiterzuleben. Es gelte, nicht an der «Idee Mensch» zu verzweifeln und nicht an Gott zu verzweifeln.

«Fragt euch, ob die Theologie, die ihr kennenlernt, so ist, dass sie vor oder nach Auschwitz eigentlich die gleiche sein könnte. Wenn ja, dann seid auf der Hut», formuliert der katholische Fundamentaltheologe Johann Baptist Metz. Er ist zusammen mit den Protestanten Jürgen Moltmann und der mittlerweile verstorbenen Dorothee Sölle der bedeutendste deutsche Theologe in diesem Themenbereich.

Für Metz kann Theologie nicht mehr gegen das Judentum, sondern nur mit ihm entwickelt und gelebt werden. Dazu müsse die Vergangenheit aufgearbeitet werden, die bis in die hohe Theologie hinein immer wieder von Antijudaismus geprägt gewesen sei, sich vom Judentum habe absetzen wollen und es zugleich unredlich beerbte. Leidenschaftlich für eine Aussöhnung zwischen Christen und Juden und die Aufarbeitung der Vergangenheit trat auch der 2005 verstorbene Papst Johannes Paul II. ein, der in der Nähe von Auschwitz aufwuchs. Er nannte die Juden die «älteren Brüder».

Der heutigen christlichen Theologengeneration geht es darum, Auschwitz nicht zur Metapher verkommen zu lassen. Sie beruft sich auf ein Wort Wiesels: «Auschwitz bleibt eine Frage ohne Antwort. Das Einzige, was wir tun können, ist Fragen zu stellen und uns zu wundern.»