Seniorenkaufhäuser bieten älteren Menschen Hilfsmittel für den Alltag

Sprechende Blutdruckmesser und Handys mit Riesen-Tasten

Es könnte fast ein Wunderland für ältere oder behinderte Menschen sein. Das kleine Kaufhaus SiSenior im saarländischen Heusweiler kann zwar keine Einschränkung oder Behinderung rückgängig machen, doch es bietet vieles, um den Alltag zu erleichtern: Sprechende Blutdruckmessgeräte und Handys mit übergroßen Tasten für Menschen mit nachlassender Sehkraft oder ein Kehrset mit extralangem Stiel für alle, die sich schlecht bücken können. Es gibt einen Schirm, der am Rollator befestigt werden kann und einen Öffner für den Schraubverschluss der Wasserflasche, wenn die Kraft in den Fingern nachlässt.

Autor/in:
Marlene Grund
 (DR)

"Als ich das erste Mal hier reinschaute, war ich eigentlich sicher, dass ich noch nichts von den Sachen brauche", erzählt eine rüstig wirkende Kundin. Doch dann habe sie auf Anhieb drei praktische Hilfsmittel für Küche und Bad gefunden.

"Grundsätzlich glaube ich, dass diese Läden Kunden glücklich machen", sagt Gundolf Meyer-Hentschel, Gründer und Geschäftsführer der Meyer-Hentschel Management Consulting in Saarbrücken, die Unternehmen und soziale Dienstleister bei der Anpassung an den demographischen Wandel berät. Doch obwohl die Deutschen immer älter werden, herrscht in dem knappen Duzend Seniorenläden in Deutschland keine Goldgräberstimmung. Im Gegenteil: In Großräschen in der Lausitz musste ein Fachmarkt für Senioren mit 17 Mitarbeitern zwei Jahre nach der Eröffnung Insolvenz anmelden.

Das Kaufhaus SiSenior in Heusweiler existiert bereits ein halbes Jahr länger. Doch Annette Scherer und Mitinhaber Wolfgang Hammes geben zu, dass sie in ihren früheren Berufen als Betriebswirtin und Ergotherapeut besser verdienten. Als sie ihre sicheren Jobs aufgaben, um Seniorenprodukte direkt im Laden und im Internet zu verkaufen, lagen ihre Erwartungen höher. Ergotherapeut Hammes eröffnete das Geschäft, als er feststellte, dass seine Patienten die Hilfsmittel, die ihnen das Leben erleichtert hätten, auf dem freien Markt nicht auftreiben konnten.

Etwa 500 Artikel speziell für Senioren und Behinderte gibt es nun in dem Kaufhaus, manches mussten die Inhaber lange suchen. Etwa den bequemen Sessel, der an spezielle Krankheitsbilder angepasst werden kann und für Rollstuhlfahrer mit klappbarer Lehne geliefert wird. Weil Beratung und Service bei SiSenior groß geschrieben werden, wird das Möbelstück auch zum Probewohnen übers Wochenende in die Wohnung des Kunden transportiert.

Bei SiSenior besteht die Hälfte der Kunden jedoch nicht aus Älteren, sondern aus Angehörigen, die für Eltern oder Großeltern nach Hilfsmitteln suchen. Der Markt sei aus mehreren Gründen nicht einfach zu bedienen, stellt Annette Scherer fest. "Bei einem Modegeschäft weiß jeder, was ihn erwartet, aber kaum jemand ahnt, was ein Seniorenkaufhaus anbietet", sagt sie. Dazu kämen die Vorbehalte einer Zielgruppe, die unter keinen Umständen als "alt und krank" gelten wolle.

Mit dem Schritt durch die Tür eines Seniorenladens lege ein Mensch offen, dass er Hilfe brauche, bestätigt auch Meyer-Hentschel. Alter und Hilfsbedürftigkeit zuzugeben, gehöre indes zu den größten Schwierigkeiten im Leben. Alles was dem Verbraucher vor Augen führe "Du bist alt", sei zum Scheitern verurteilt.

Der Berater nennt ein Beispiel: Eine Ladenkette in Nordbayern brachte als seniorenfreundliche Maßnahme an ihren Regalen Lupen mit der Aufschrift "Als Lesehilfe" an. Sie blieben ungenutzt. Erst als die Aufschrift in "Für das Kleingedruckte" geändert wurde, griffen die Menschen zu den Hilfsmitteln. Denn jetzt wurde ein von der Industrie verursachter Fehler  die zu kleine Schrift  korrigiert und nicht die schlechte Sehfähigkeit. Wenn ältere Kunden das Gefühl haben, es werde eigens für sie produziert und gestaltet, fühlen sie sich ausgegrenzt, heißt es in dem Saarbrücker Institut.

Es gebe natürlich auch die Typen, die mit den unvermeidlichen Einschränkungen des Alters rational umgehen, doch die meisten seien sehr sensibel, sagt Gundolf Meyer-Hentschel. Seniorenkaufhäuser werden deshalb nach seiner Einschätzung nur schwer den benötigten Kundenstamm aufbauen können. Doch wer erstmal den Schritt über die Schwelle gewagt hat, ist meist dankbar für das Angebot. "Wer die Berührungsängste überwunden hat, kommt gerne wieder", weiß Annette Scherer.