Indischer Premierminister verurteilt Angriffe auf Christen - Misereor-Appell nach Berlin

"Nationale Schande"

Als "nationale Schande" hat der indische Premierminister Manmohan Singh die Übergriffe radikaler Hindus auf Christen bezeichnet. Seit Samstag kamen bei den Unruhen im Land zahlreiche Menschen ums Leben, Tausende sind auf der Flucht.

 (DR)

In Indien sind am Freitag alle christlichen Schulen aus Solidarität mit den Opfern religiöser Gewalt geschlossen geblieben. Die Katholische Bischofskonferenz hatte zu friedlichem Protest aufgerufen. Internationale Menschenrechtsorganisationen und christliche Netzwerke appellierten nach Berichten lokaler Medien an die EU und die USA, sich für ein sofortiges Ende der blutigen Ausschreitungen zwischen Hindus und Christen im Bundesstaat Orissa einzusetzen.

Auch am Freitag kam es trotz Ausgangssperre zu Blockaden von Straßen und Schienenwegen sowie vereinzelt zu Attacken auf Christen. Am Donnerstag hatte der indische Ministerpräsident Manmohan Singh Vertretern der Katholischen Bischofskonferenz gegenüber die Verfolgung der christlichen Minderheit in Orissa als "nationale Schande" bezeichnet und die örtlichen Behörden aufgerufen, die Sicherheit aller Bürger zu gewährleisten.

Die Unruhen waren am Wochenende im Distrikt Kandhamal ausgebrochen, nachdem der radikale Hindu-Führer Swami Lakshmanananda Saraswati und vier seiner Mitstreiter ermordet worden waren. Hindus machen Christen für seinen Tod verantwortlich. Die Polizei vermutet maoistische Rebellen hinter der Tat. Der Swami, der auch Mitglied des Zentralkomitees des fundamentalistischen Welthindurates war, führte seit langem einen Feldzug gegen Bekehrungen zum Christentum und galt als Initiator antichristlicher Hasskampagnen.

Misereor appelliert an deutsche Politiker
Wegen der Übergriffe sind unbestätigten Angaben zufolge rund 15.000 Christen auf der Flucht. 1.500 Häuser von Christen seien zerstört, 50 Kirchen gebrandschatzt und geplündert, berichtete das Bischöfliche Hilfswerk Misereor am Freitag unter Berufung auf indische Partner vor Ort. Internationale Medien sprechen von bis zu neun Toten. Die Zentralregierung in Neu Delhi erklärte die Region inzwischen zum Notstandsgebiet und setzte eine Untersuchungskommission ein.

Priester, Ordensfrauen und kirchliche Mitarbeiter würden aus Autos gezerrt und zusammengeschlagen, die Fahrzeuge in Brand gesteckt, berichteten Misereor-Partner. Vor den Augen der Polizei seien Menschen zerstückelt und Frauen vergewaltigt worden. Seitens der Behörden gebe es halbherzige Versuche, die Gewalt einzudämmen, bis hin zu sympathisierender Tatenlosigkeit der Polizei.

Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon appellierte an die Politiker in Deutschland, vor den Gewalttaten nicht die Augen zu verschließen. Sie müssten gegenüber der indischen Regierung dringend die Einhaltung der Menschenrechte einfordern.

Nicht die ersten Zusammenstöße
Etwa 600.000 Menschen leben in dem bettelarmen Distrikt im Nordosten Indiens. 150.000 davon sind Christen. Die meisten von ihnen sind kastenlose Dalits, also Unberührbare. Gewalt zwischen Christen und Hindus hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. 1999 wurde ein fünfköpfige australische Missionarsfamilie lebend in ihrem Auto verbrannt. Wenig später wurde ein Priester ermordet.

An Heiligabend 2007 starben drei Menschen bei Ausschreitungen, nachdem gemeldet worden war, dass Saraswati von christlichen Extremisten attackiert worden sei.