Bischof Norbert Trelle im domradio-Interview zu Namensgebung und Aufgaben der "Zigeunerseelsorge"

Niemand soll diskriminiert werden

Die Völkerstämme der Roma und Sinti gelten in Deutschland als Minderheit. Die katholische Kirche setzt sich für diese Minderheit ein, denn ihre Lebensbedingungen erforderten spezifische Seelsorge, so Papst Johannes Paul II. Unter dem Motto "Die jungen Zigeuner in der Kirche und in der Gesellschaft" tagen diese Woche Erzbischöfe und Bischöfe, Priester und pastorale Mitarbeiter in Freising bei München. Der Beauftragte der deutschen Bischofskonferenz für Zigeunerseelsorge, Bischof Norbert Trelle im domradio-Interview zu den Aufgaben dieser speziellen Seelsorge.

 (DR)

domradio: Welche Menschen werden denn heute noch als Sinti und Roma bezeichnet?
Trelle: Es sind diejenigen, die sich selbst so bezeichnen, so würde ich das erst einmal eingrenzen. Das ist bei den Begriffen Sinti und Roma und Zigeuner immer ein Thema und wird immer mitdiskutiert: Die Fremdbezeichnung, die Eigenbezeichnung, ein Sammelbegriff oder aber die Bezeichnung für eigene Gruppen und Familien. Wir gehen davon aus: So wie sie sich selbst bezeichnen, übernehmen wir das.

domradio: Ist denn der Ausdruck "Zigeuner" überhaupt politisch korrekt?
Trelle: Dass dieser Begriff im Sprachgebrauch und gerade im politischen Raum nicht mehr akzeptiert ist, ist mir natürlich auch bewusst. In der Seelsorge, die ja nicht nur in Deutschland diese Menschen erreichen möchte, sondern weltweit, ist er nach wie vor der Gebräuchliche. Der päpstliche Rat spricht von Zigeunerseelsorge, es ist ein gemeineuropäisches Wort, der Wortstamm ist in fast allen europäischen Sprachen präsent, so dass auch wir uns diesem Sprachgebrauch anschließen, der in der Kirche insgesamt üblich ist, ohne natürlich mit diesem Wort Menschen diskriminieren zu wollen. Das ist ganz fern von unserer Intention.

domradio: Warum ist es erforderlich, dass sich die Kirche so intensiv um die Sinti und Roma kümmert?
Trelle: Die Sinti vor allem haben immmer schon eine starke Bindung an die katholische Kirche gehabt, mehr als die Roma. Man vermutet, dass es an die 90 Prozent sind, wenn es nicht inzwischen durch Abwerbung von Sekten einen Rückgang gibt. Und diese Gruppen tun sich aus den bekannten Gründen natürlich schwer, in eine örtliche Pfarrseelsorge integriert zu werden. Diese Probleme entstehen auf beiden Seiten, und wir bemühen uns, sie an ihren Wohnorten oder dort, wo sie feste Siedlungen oder Stellplätze für ihre Wohnwagen haben, zu begleiten. Für die Zigeunerfamilien, gerade die sehr katholisch geprägten, ist z.B. die Wallfahrt etwas sehr wichtiges, und da versuchen wir, ein besonderes pastorales Angebot zu machen.

domradio: Wie und wo muss sich die Seelsorge für Sinti und Roma weiterentwickeln und verbessern?
Trelle: Das Thema ist die Situation der jungen Zigeuner im Blick auf Kirche und Gesellschaft. Es geht darum, deren Lebensbedingungen und ihre Ausgangssituation zu verbessern im Sinne einer stärkeren Eingliederung. Und das, ohne dass wir ihre Familientraditionen leugnen dürfen. Wir dürfen nicht Integration mit Assimilation verwechseln. In die Richtung einer Integration, einer Verbesserung von Startchancen gehen unsere Bemühungen. Denn ganz deutlich muss man sagen, Seelsorge in diesem Bereich hat immer und vor allen Dingen eine diakonische Ausrichtung: Soziale Hilfen mitanzubieten. Und das tun wir gemeinsam mit der Caritas und dem Sozialdienst katholischer Männer und Frauen, mit Hilfseinrichtungen der Kommunen, mit Trägern der Wohlfahrtspflege.

domradio: Was erhoffen sie sich von diesem Weltkongress?
Trelle: Wir erhoffen uns im Austausch von Erfahrungen, Impulse. Die wir vielleicht so auch noch nicht haben finden können in unserem eigenen Bereich. Wie machen es andere? Jeder Weltkongress hat ja den Sinn und das Ziel, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, dem anderen Möglichkeit und Gelegenheit zu geben, seine eigenen Konzepte zu überdenken. Wir brauchen schon auch, wie es in der Pastoral heißt, zielgruppenorientierte Seelsorge.