Papst Benedikt XVI. erobert Sardinien

Katholiken wie Eichen

Die Sarden sind stolz auf ihre Geschichte, ihren Dialekt, ihre Musik, ihre Insel. So stolz, dass der eintägige Besuch von Benedikt XVI. am Sonntag schon fast mehr einer Auslandsreise glich als der inneritalienischen Pastoralvisite, die er eigentlich war. Der Papst sprach seine Herde gezielt auf ihre Charakterstärke und Traditionsverbundenheit an; andere würden von Dickschädeligkeit reden. Offenbar traf Benedikt XVI. damit genau den richtigen Nerv, auch bei der Jugend. Zu den Jugendlichen sprach er unter anderem über Ehe und Familie.

 (DR)


Der Tradition geschuldet war schon der Anlass der Reise:
Eigentliches Ziel des Papstes war die Madonna von Bonaria, eine Schnitzfigur der Muttergottes, die in einer Kirche über der Hauptstadt Cagliari thront und wacht. Im Jahr 1370 war sie der Überlieferung nach unter wundersamen Umständen am Ufer der Insel angelandet, mitten im Gewoge des Meeres mit einer brennenden Kerze in der Hand. Seither verlassen sich die Sarden auf ihre Hilfe und Fürsprache.

Rund 130.000 Menschen feierten mit, als Benedikt XVI. die Sonntagsmesse auf dem Vorplatz des Heiligtums zelebrierte. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi persönlich reihte sich kurzfristig unter die Ehrengäste ein. Der Gottesdienst sollte an die Erhebung der Muttergottes von Bonaria zur höchsten Patronin der Insel vor 100 Jahren erinnern. Genau war das 1907, aber die Jubiläumsfeiern dauerten ein volles Jahr. Die Visite Benedikt XVI. bildete den krönenden Abschluss.

In seiner Predigt rühmte der Papst die Sarden: Ein Volk, «instinktiv widerständig gegen alles, was übers Meer kam». Nicht durch das Schwert, nicht durch fremde Herren sei das Evangelium zu ihnen gelangt. Die frühchristlichen Märtyrer seien es gewesen, die vom Festland zur Zwangsarbeit in die sardischen Erzminen geschickt wurden und selbst dort nicht von ihrem Glauben gelassen hätten. Ihre Unbeugsamkeit, so der Papst, hätten den stolzen Geist der Sarden erobert.

Noch nach 17 Jahrhunderten rechnet es Benedikt XVI. der Inselbevölkerung hoch an, dass ihre Bischöfe auf dem Konzil von Mailand 335 lieber ins Exil gingen, als den rechtgläubigen Bischof Athanasius zu verurteilen. «Sardinien war nie ein Land der Häresien», sagte er, und die Zuhörer quittierten es mit Applaus.

Ihre Vorfahren boten nordafrikanischen Bischöfen Zuflucht, als dort die Irrlehre des Arianismus grassierte, und schließlich retteten sie sogar die Gebeine des vom Papst besonders verehrten Kirchenvaters Augustinus vor dem Arabersturm in Algerien.

Mit einer Eiche verglich Benedikt XVI. das Inselvolk, das allen Stürmen, Bränden und Trockenheiten der Zeit trotze. Vor der Messe war der Papst in der Pilgerbasilika noch mit einer Gruppe Hundertjähriger zusammengetroffen. Sie alle waren Zeitzeugen der Erhebung ihrer Schutzpatronin 1907, viele noch rüstig und knorrig wie der besagte Baum, den der Papst später als Vergleich heranzog.

Die Sorge Benedikt XVI. galt vor allem den jungen Trieben der sardischen Eiche. Die Gesellschaft brauche «eine neue Generation engagierter christlicher Laien, die fähig sind, mit Kompetenz und moralischer Kraft Wege einer nachhaltigen Entwicklung zu suchen», sagte er. Die Gottesmutter Maria rief er um Hilfe dafür an, dass das Erbe der biblischen Werte ungeschmälert weitergegeben werde.

Familie, Ausbildung und Glaube
Am Nachmittag wandte sich der Papst dann persönlich an die Jugendlichen. Auch bei dieser Begegnung appellierte er an den harten Stolz ihres Volks: «Besser kein Brot als keine Gerechtigkeit», zitierte er ein Sprichwort. Gegen Sinnleere und Oberflächlichkeit, gegen die «neuen Götzen» Verdienst und Erfolg sollten die jungen Menschen unbeirrt nach jener Wahrheit suchen, die frei machen. Und an den althergebrachten Werten sollten sie festhalten. Besonders meinte Benedikt XVI. damit die Familie. Nicht alles, was heute als Familie bezeichnet werde, verdiene diesen Namen, mahnte er.

Doch auch Sardinien ist keine Insel der Seligen: Benedikt XVI.
beklagte die Jugendarbeitslosigkeit, den «Exodus der frischesten und unternehmendsten Kräfte», die innere Entwurzelung derer, die aus wirtschaftlicher Not abwandern. Fast beschwörend nannte er die Jugendlichen die Garanten einer Zukunft voller Hoffnung. Diese Hoffnung strahlte sogar ein wenig auf ihn selbst zurück: Die Sacro-Pop-Gesänge und die unbeschwerten Jubelchöre der jungen Kirchentreuen steckten den 81-Jährigen sichtlich an. Die eigensinnigen Sarden und der prinzipienfeste Papst: Es scheint, als hätten sie an diesem Sonntag einen guten Draht zueinander gefunden.