Ausstellung zeigt Sakralbauten des 20. Jahrhunderts an Rhein und Ruhr in der Fotografie

Karge Bauten und Kirchenskulpturen

Von "Zitronenpresse" bis "sensationell" - Kirchenbauten, die vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die 60er Jahre an Rhein und Ruhr entstanden, waren nicht selten eine Diskussion wert. Eine Ausstellung im Neusser Clemens-Sels-Museum beweist das ab Sonntag eindrucksvoll. Und zeugt gleichzeitig vom Ende manch einer Sakralarchitektur.

Autor/in:
Susanne Westen
 (DR)

Einem der ersten Bauten moderner Kirchenarchitektur im Rheinland hat der Volksmund den Spitznamen "Zitronenpresse" gegeben. Dominikus Böhms 1932 entstandener zweigeschossiger Zentralbau von Sankt Engelbert in Köln-Riehl lässt heute noch diese treffende Assoziation zu. Die Ausstellung mit mehr als 120 Fotografien geht auf ein Projektseminar am Institut der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität zurück.

Zu sehen sind historische Fotos von skulpturalen Sakralbauten wie Gottfried Böhms Wallfahrtskirche in Velbert-Neviges aus dem Jahr 1968 und äußerst reduzierte, wie Fabrikgebäude aussehende Kirchen. Als "sensationell radikalen Bau der Moderne" bezeichnet der Düsseldorfer Kunsthistoriker Jürgen Wiener die Aachener Kirche Sankt Fronleichnam (1930) von Rudolf Schwarz (1897-1961). Von außen erinnert der Bau an Industriearchitektur, der Innenraum besteht aus einem kahlen weißen Kubus.

Schwarz ist als "bedeutendster Kirchenarchitekt des 20. Jahrhunderts" mit drei Kirchen in der Ausstellung "Frömmigkeit und Moderne" mit Architekturfotografien vertreten. Von mehreren Hundert in dem Zeitraum entstandenen Kirchen lenken Schau und Katalog den Blick auf
43 Bauten von 21 Architekten, die nach Angaben Wieners "auf evangelischer wie auf katholischer Seite internationale Maßstäbe setzen".

"Froh, wenn wenigstens der Abriss verhindert wurde"
Wichtigster evangelischer Kirchenbaumeister ist nach Überzeugung des Professors an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität der Architekt Otto Bartning (1883-1959) mit der 1939 in Essen verwirklichten Auferstehungskirche. Die punktgenau in den Winkel zweier sich kreuzender Straßen platzierte Kirche radikalisiert seinen Angaben zufolge den Gedanken des Zentralbaus. Für die evangelische Kirche arbeitete Bartning kurz nach Kriegsende an einem Notkirchenprogramm, mit dem deutschlandweit bis 1951 insgesamt 48 provisorische Kirchenbauten errichtet wurden. Rheinisches Beispiel ist die 1948 bis 1949 gebaute Luther-Notkirche in Köln-Mülheim.

Die bedeutendsten Werke der Sakralarchitektur der Moderne überhaupt stehen nach Einschätzung des Ausstellungsmachers und Kunsthistorikers Hans Körner in Essen und Bottrop. Die Heilig Kreuz Kirche in Bottrop wurde von 1955 bis 1957 nach einem Entwurf von Rudolf Schwarz gebaut.
Ihr Grundriss besitzt die Form einer Parabel. 2007 wurde die Kirche nach 50 Jahren geschlossen. Auch Dominikus Böhms 1934 bis 1937 entstandener herausragender Backsteinbau Sankt Engelbert in Essen wird nach einem Beschluss der Ruhrdiözese geschlossen.

Während nach dem Krieg Rekonstruktion, Erneuerung oder Neubau von Sakralbauten die Architekten beschäftigt habe, sei es heute die Umwidmung überflüssig gewordener Kirchen, sagt Körner. "Man wird in manchen Fällen noch über den Akt der Entweihung dankbar sein dürfen, wenn dieser wenigstens den Abriss verhindert."

Die Ausstellung "Frömmigkeit und Moderne" ist bis zum 26. Oktober täglich außer montags von 11 bis 17 Uhr sowie sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr zusehen.