Papst Benedikt XVI. stellt sich hinter seinen Vorgänger

Pius XII., Retter der Juden?

Gary Krupp, New Yorker Jude, macht sich mit seinen Ansichten über Papst Pius XII. nicht nur Freunde. Für Krupp, Träger des Päpstlichen Gregorius-Ordens, steht außer Zweifel: Pius XII. hat "das Beste getan, was er in seiner Epoche tun konnte". Diese These hat jetzt Rückendeckung von höchster Stelle.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Erst kürzlich veranstaltete Krupp als Gründungspräsident der Stiftung «Pave the Way» (Den Weg ebnen) in Rom ein Symposium, das sich 50 Jahre nach dem Tod des Weltkriegs-Papstes ausdrücklich seiner Rolle als Retter der Juden widmete. Die jüdischen Teilnehmer wehren sich gegen das von Rolf Hochhuths Drama «Der Stellvertreter» bestimmte Bild, Eugenio Pacelli (1876-1958) habe im Verhältnis zu seiner Macht zuwenig Mut gehabt, dem NS-Regime in den Arm zu fallen.

Benedikt XVI. persönlich hat seinen angegriffenen Vorgänger deutlicher als je zuvor in Schutz genommen. Wo immer möglich, habe Pius XII. keine Mühe gescheut, um direkt oder durch Anweisungen an andere Personen oder Einrichtungen der katholischen Kirche für die Juden einzutreten, sagte der Papst vor Teilnehmern der Tagung in Castelgandolfo. Wohl seien die Interventionen teils geheim und diskret erfolgt, so Benedikt XVI. In der konkreten Situation sei dies aber oft der einzige Weg gewesen, «um das Schlimmste zu verhindern und die größtmögliche Zahl von Juden zu retten».

Der Papst beschränkte sich in seinem Lob nicht auf das Kapitel des Nationalsozialismus. Er rühmte auch das beispielhafte Leben und den außerordentlichen Reichtum der Lehrtätigkeit von Pius XII. - als Theologe hinterließ er 43 Enzykliken und Äußerungen zu praktisch allen brennenden Fragen seiner Zeit. Das ist noch nicht gleichbedeutend mit einer Seligsprechung, die seit langem trotz harter Kritik vorbereitet wird. Aber der Vatikan lässt keinen Zweifel daran, dass er unbeirrt in diese Richtung fortschreitet.

Kurz vor Jahreswechsel hatte Benedikt XVI. bei seinem Staatssekretariat Sondierungen darüber angeordnet, welche diplomatischen und politischen Auswirkungen eine Seligsprechung für das Verhältnis zum Judentum und zum Staat Israel hätte. Zum runden Todestag des Pacelli-Papstes veranstaltet der Vatikan im November eine hochkarätig besetzte Fachtagung über das theologische Vermächtnis von Pius XII. Nicht der von Hochhuth angegriffene «Stellvertreter» soll im Mittelpunkt stehen, sondern der Wegbereiter des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Das ist nebenbei auch ein Anliegen von Benedikt XVI., der die Kontinuität der Kirchenepochen vor und nach dem Konzil verdeutlichen will.

Für ein breiteres Publikum zeigt eine Ausstellung am Petersplatz vom 21. Oktober an unveröffentlichte Fotografien, Dokumente und Erinnerungsgegenstände aus dem Leben des «Pastor Angelicus», des «engelgleichen Hirten». Um die Frage der Seligsprechung soll es bei keiner dieser Veranstaltungen gehen. Jedoch ist das Bestreben unverkennbar, Pius XII. als herausragenden Menschen, Lehrer und Hirten herauszuheben.

Noch bei seinem Paris-Besuch Mitte September erwies Benedikt XVI.
seinem Vorgänger eine kleine Reverenz: Ausgerechnet in seinen Gruß an jüdische Repräsentanten flocht er einen Nebensatz ein, der von den Jahren der Judenverfolgung als einer «dunklen Zeit» sprach.
Dabei verwies er auf Pius XII. Sachlich war das nicht notwendig, aber Benedikt XVI. hatte es so gewollt: Vielleicht eine kleine Demonstration, dass die katholische Kirche diesen Papst unter keinen Umständen zu verstecken braucht.

Jetzt wünscht der Papst ausdrücklich, dass die «Defizite» in der historischen Darstellung seines Vorgängers ausgeglichen und einige Dinge ins rechte Licht gerückt werden. Es gelte, «die geschichtliche Wahrheit zu erkennen und jedes verbleibende Vorurteil zu überwinden», sagte Benedikt XVI. vor den Tagungsteilnehmern.

Am 9. Oktober, dem Todestag von Pius XII., will Benedikt XVI. in Sankt Peter einen Gottesdienst für seinen Vorgänger feiern. Der Zufall will es, dass in diesem Jahr auf das gleiche Datum der Jom Kippur fällt, der höchste Tag im jüdischen Kalender: Tag der Versöhnung und der Vergebung für die Toten.