Der ehemalige EU-Beauftragte für Mostar, Hans Koschnick, zum neuen Friedensnobelpreisträger

"Höchste Form von Diplomatie"

Beide haben es sich über viele Jahre hinweg zur Aufgabe gemacht, Lösungen für ein friedliches Miteinander auf dem Balkan zu finden: der frisch ernannte Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari und Hans Koschnik, ehemaliger EU-Gesandter für Mostar. Im domradio-Interview: Ein großer Vermittler würdigt einen großen Vermittler.

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 (DR)

domradio: Was sagen sie zur Nobelpreis-Entscheidung?
Koschnick: Ich freue mich darüber! Ich glaube, dass damit endlich mal einer derjenigen Politiker eine Anerkennung erfahren, die ganz unaufgeregt und ohne große Töne vieles erreicht haben, damit Menschen friedlicher miteinander umgehen können.

Es ist eine typische finnische Grundposition, die sich bei Martti Ahtisaari widerspiegelt: Zu versuchen, über das Gespräch, über das Eingehen auf den anderen, auf die Abwägung der jeweiligen Positionen, nach Lösungen zu suchen, damit die Menschen gesittet rechtlich nebeneinander leben können. Und aus dem Nebeneinander kann dann eines Tages auch ein Miteinander werden.

Ein so konsequentes Vorgehen bei der Frage der Kooperation und des "Zueinanderfindens", wie es die die Finnen können, haben viele andere Europäer und Amerikaner nicht an den Tag gelegt. Insofern würde ich sagen: Das ist eine höchste Form von Diplomatie.

domradio: Wie würden sie diese Diplomatie im Falle des Balkans beschreiben?

Koschnick: Es ist unbestritten, dass über 500 Jahre in dieser europäischen Region verschiedene Völker nebeneinander gelebt haben: Albaner, Serben, slavische Bevölkerungsteile, Makedonier, Kroaten. Sie lebten nebeneinander, nicht immer sehr friedlich aber auch nicht immer kriegerisch. Sondern so, dass jeder in seiner Fasson selig werden konnte. Dann kamen die Großmächte, die Türken, die Serben, dann kamen andere, wie in den letzten Kriegen, die die Dinge mit Gewalt von außen regelten. Das führte dazu, dass immer neue Gruppen gegeneinander ausgespielt worden sind. Jetzt das wieder hinzubekommen, dass sie wieder nebeneinander leben konnten, was ja in Jugoslawien unter Tito versucht worden ist,  war aber häufig auch nur möglich, wenn eine starke staatliche Gewalt das erzwang.

Es gab eine kurze Phase des kooperativen Miteinanders und Nebeneinanders aber im Wesentlichen war es Druck. Unter Milosevic ist der Druck so erhöht worden, dass ein vernünftiges Zusammenleben ganz schwer war. Aber wer als Antwort nur Krieg und Gewalt kennt, der findet keine Lösung. Man muss also den anderen Weg versuchen, und dafür war Ahtisaari der richtige Mann. Geduldig, konsequent und überzeugend und immer wieder nachfragend: Kann man hier und da Dinge regeln, die das Leben nebeneinander leichter machen.

domradio: Wie muss man sich das Laie vorstellen?
Koschnick: Da kommen Dinge auf den Tisch, die z.T. vor 500, 400 oder 200 Jahren eine Rolle spielten und gar nicht mehr aktuell sind. Demagogen und Nationalisten ziehen immer aus den alten Dingen heraus ihre Konsequenzen und hetzen das Volk auf.

domradio: Stellt die Aufgabe der Vermittlung nicht auch eine große Belastung dar?
Koschnick: Auf dem Balkan war Ahtisaari ja für die Vereinten Nationen und da musste er eine Lösung finden, bei der die gesamte Staatengemeinschaft mitmachen konnte! Wissend, dass es grundsätzliche Gegensätze zwischen westlichen Staaten und etwa China und Russland gibt. Ein Vermittler hat es da immer schwer. Hat man zweimal erfolg gehabt, wird der dritte Erfolg erwartet. Aber man kann nicht immer Erfolg haben, es müssen auch Dinge für gescheitert erklärt werden, wenn die Partner am Tisch nicht bereit sind, auf bestimmte Vorschläge einzugehen. Denn der Vermittler kann ja nur Vorschläge machen, er kann nichts erzwingen. Und insofern ist es schon ganz richtig, Personen zu haben, die soweit abgesichert sind, dass sie nicht um der Hilfe für den einen oder anderen wegen etwas tun, das in der Sache falsch ist.