Castor-Transport kostet 20 Millionen - Seelsorger sprechen von berechtigtem Protest

Endlager dringend gesucht

Der von zahlreichen Protesten begleitete Atommülltransport ins niedersächsische Zwischenlager Gorleben belebt die Diskussion über die Nutzung der Atomkraft und die Lagerung der dabei produzierten Abfälle. Während Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) am Dienstag die schnelle Freigabe des Salzstocks Gorleben als Atommüllendlager verlangte, forderte Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) Alternativen. Probst Stephan Wichert-von Holten machte im domradio auf die Sorgen der Bevölkerung im Wendland aufmerksam.

Autor/in:
Martin Roy
 (DR)

Bayerns Umweltminister Söder (CSU) sagte, Gorleben sei ein geeigneter Standort. Dies habe gerade wieder ein wissenschaftliches Gutachten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bewiesen. Außerdem seien dort schon 1,5 Milliarden Euro investiert worden. «Eine Abkehr wäre ökonomisch und ökologisch nicht verantwortbar», sagte Söder.

Niedersachsens Umweltminister Sander dagegen fordert von Gabriel, Alternativen für den Standort Gorleben als Atommüllendlager vorzulegen. Es reiche nicht, lediglich gebetsmühlenartig eine alternative Standortsuche zu fordern, ohne selbst einen Vorschlag zu machen, in welche Richtung es gehen könnte. Atomtransporte seien in dieser Form weder dem Land Niedersachsen noch der Bevölkerung im Wendland zuzumuten, sagte Sander.

Diskussion um Gewalt
Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte, der Polizeieinsatz zur Begleitung des Atommülltransports sei in diesem Jahr aufwendiger und schwieriger gewesen als 2006. «Wir sind auf deutlich mehr gewaltbereite Demonstranten gestoßen«, sagte der Innenminister. Er müsse eine Ausweitung der Kosten befürchten. Bisher seien sie auf 20 Millionen Euro geschätzt worden.

Der Lüchower evangelische Propst Stephan Wichert-von Holten sprach am Dienstag dagegen von einem insgesamt friedlichen Verlauf der Proteste und einem moderaten Vorgehen der Polizei.
Während des Transportes waren im Wendland fast 40 Pastoren sowie Diakone und andere kirchliche Mitarbeiter unterwegs, um bei drohenden Konflikten zwischen Polizei und Demonstranten zu vermitteln.

Die Einschätzung des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann könnten die Kirchenvertreter nicht bestätigen, sagte Wichert-von Holten. «Für uns hat es sich so dargestellt, dass an vielen Orten Demonstranten bewusst auf Gewalt verzichtet haben.» Nur vereinzelt habe es Ausnahmen gegeben, etwa bei Blockaden an den Schienen.

Die Polizei habe im Vorfeld des Transportes viel friedlichen Protest zugelassen, sagte Wichert-von Holten. Besonders die Einsatzleiter seien sehr besonnen gewesen. Zum Teil hätten sie aber deutlich auf ihre Einsatzkräfte einwirken und eingreifen müssen, wenn etwa jemand mit dem Fuß aus einer Sitzblockade gezerrt oder Hände und Köpfe verdreht worden seien.

Gemeindehäuser als Nachtquartier
Die evangelische Kirche hatte Gemeindehäuser nahe der Transportstrecke als Nachtquartiere für Demonstranten geöffnet.
Hausordnungen stellten dort klar, dass der friedliche Protest unterstützt, aber jegliche Gewalt abgelehnt werde. «In jedem der Häuser wären auch Polizisten willkommen gewesen», sagte Wichert-von Holten.

Der Chef der Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg, ist nicht ganz so optimistisch. Er fürchtet, dass Probleme bei den Demonstrationen im kommenden Jahr stark zunehmen, weil der Streit um die Atomenergie durch den Bundestagswahlkampf weiter angeheizt werde. Krawallmacher missbrauchten die legitimen Demonstrationen der Kernkraftgegner für Randale und brutale Übergriffe. «Reisende Gewalttäter haben die Anti-Atomkraft-Bewegung als neues Betätigungsfeld für sich entdeckt», sagte Freiberg.

Strahlenbelastung überprüfen
Der Chef der Strahlenschutzkommission des Bundes, Rolf Michel, forderte eine Überprüfung der Strahlung an den beim jüngsten Atommülltransport benutzten Atombehältern. Man müsse nicht nur die Grenzwerte beachten, sondern auch das Gebot, Strahlung zu minimieren. Zuvor hatte die Umweltschutzorganisation Greenpeace berichtet, die Neutronenstrahlung in der Umgebung der Behälter sei 40 Prozent höher als die beim Castor-Transport 2005. Die Gefährdung von Begleitpersonal und Demonstranten sei unverantwortlich.

DIW fordert Festhalten an der Atomkraft
Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, forderte, endlich die Voraussetzungen für ein Atommüllendlager in Deutschland zu schaffen. Längere Laufzeiten der Atomkraftwerke seien für eine Übergangszeit nötig, um Zeit für die Umstellung der Energieversorgung in Deutschland zu bekommen.

Die Energieversorgung müsse kohlendioxidfrei, sicher und bezahlbar sein, sagte Kemfert. «Das können wir schaffen, indem wir mehr tun, um die Energieeffizienz zu verbessern, die erneuerbaren Energien auszubauen und innovative Kraftstoffe an den Markt bringen», sagte sie.