Früherer Wirtschaftsminister verlässt nach 38 Jahren die SPD

Clement wirft Parteibuch hin

Einen Tag nach seinem abgewendeten Parteiausschluss hat der frühere Wirtschaftsminister Wolfgang Clement von sich aus die SPD verlassen. SPD-Chef Franz Müntefering bedauerte den überraschenden Schritt Clements. Auch andere Sozialdemokraten äußerten sich enttäuscht.

Autor/in:
Nikolaus Sedelmeier
 (DR)

Der 68-jährige Ex-SPD-Vize begründete seinen Austritt nach 38 Jahren Mitgliedschaft am Dienstag mit der gegen ihn verhängten Rüge. Außerdem habe die Parteiführung keinen klaren Trennungsstrich zur Linken gezogen.

Clement kritisierte, die Bundesschiedskommission der SPD habe mit ihrem öffentlichen Tadel seine "Wahrnehmung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit" drangsaliert". Ihm war vorgeworfen worden, vor der Landtagswahl in Hessen von der Wahl der SPD abgeraten zu haben. Außerdem bemängelte er "die Tatsache", dass die SPD-Führung in den Ländern zu einer Zusammenarbeit mit der Linken ermuntere, "obgleich deren Stasi-Verstrickung offenkundig ist".

In seiner Erklärung wandte sich Clement ferner gegen die Wirtschaftspolitik der SPD, die "auf eine Deindustrialisierung unseres Landes hinausläuft". Der frühere NRW-Ministerpräsident kündigte an, sich an den weiteren Diskussionen "nunmehr als Sozialdemokrat ohne Parteibuch nach Kräften beteiligen zu wollen".

Bedauern bei der SPD-Spitze
Die SPD-Spitze bedauerte den Parteiaustritt Clements. Der SPD-Vorsitzende Müntefering sagte in Berlin: "Es ist schade, dass er nicht weiter in der Partei mitarbeiten will." Nach der "vermittelnden Entscheidung der Bundesschiedskommission" vom Montag wäre für Clement "Platz" in der SPD gewesen.

SPD-Fraktionschef Peter Struck betonte, "Das wirft uns zurück, aber nicht um". Er verstehe den Schritt nicht, müsse ihn aber respektieren. Die Kritik von Clement an der Energiepolitik der SPD und deren Verhältnis zur Linkspartei wies Struck zurück. Der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend nannte Clement Schritt eine "völlig unpolitische Reaktion, die nur seinem Naturell als Sturkopf geschuldet ist".

Weniger emotional zeigte sich die SPD-Linke. Deren Wortführerin, Parteivize Andrea Nahles, bezeichnete die Rüge für Clement als "fairen Weg". Dies habe er abgelehnt. Nahles fügte hinzu: "Dann gilt: Reisende soll man nicht aufhalten."

Reaktionen der Opposition
Union und FDP werteten Clements Austritt als Ausdruck fehlenden wirtschaftlichen Sachverstandes in der SPD. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, Clements Schritt sei ein klares Signal, dass "vernünftige bürgerliche Sozialdemokraten" und wirtschaftliche Vernunft "keine Heimat mehr in der SPD haben". FDP-Chef Guido Westerwelle betonte, der Austritt schwäche die SPD und mache die Regierungskoalition "noch wackliger". Die nordrhein-westfälische FDP bot Clement eine neue politische Heimat an.

Linke-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sagte: "Die Entscheidung von Herrn Clement sagt doch sehr viel über seinen Charakter aus". Dessen Begründung, dass die SPD keinen klaren Trennungsstrich zur Linkspartei ziehe, nannte er "aberwitzig". Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte, mit seinem für ihn typischen Vorgehen habe Clement "den Schaden für die SPD maximiert".