Ökumene zeigte sich 2008 wieder diskussionsfreudig und reizbar

Vom Paulusjahr zur Lutherdekade

Ökumenische Eiszeit? Ökumene der Profile? Über fehlende Themen konnten sich die christlichen Kirchen in ihrem Dialog im zurückliegenden Jahr nicht beklagen. Die Auseinandersetzung um das Kirchenverständnis spielte dabei ebenso eine Rolle wie das Paulusjahr oder die Vorbereitungen für den 500. Jahrestag der Reformation 2017. Auf der internationalen Ebene verfolgte die Ökumene mit Sorge den Streit der Anglikanischen Weltgemeinschaft um Homosexualität und weibliche Bischöfe.

Autor/in:
Bernd Buchner
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Erzbischof Zollitsch: Hier mit Bischof Huber (KNA)
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Erzbischof Zollitsch: Hier mit Bischof Huber / ( KNA )

Ein ökumenischer Hemmschuh war das vom Vatikan ausgerufene Paulusjahr zum 2.000. Geburtstag des Völkerapostels, zumal es mit einem Ablass verbunden wurde - für evangelische Christen ein Reizthema, schließlich hatte sich die Reformation Martin Luthers am missbräuchlichen Ablasswesen des 16. Jahrhunderts entzündet. «Nicht hilfreich» sei das Vorgehen des Vatikan, monierten deutsche Lutheraner. Die Kritiker räumen zwar ein, dass der heutige Ablass etwas anderes ist als der damalige, doch auch katholische Bischöfe würden den Begriff lieber aus dem kirchlichen Wortschatz streichen.

Bedenken gibt es unter den Protestanten auch beim katholischen Liturgieverständnis, das von zunehmender Skepsis gegenüber dem Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) geprägt zu sein scheint. Besonders misstrauisch ist man mit Blick auf die Aufwertung des alten tridentinischen Messritus, die der katholischen Kirche auch einen handfesten Krach mit dem Judentum eingetragen hat. In den umstrittenen Karfreitagsfürbitten wird nicht nur für die Bekehrung der Juden gebetet, sondern für «Irrgläubige und Abtrünnige». Wer aber sei damit gemeint, fragt der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber: «Etwa wir?»

Umgekehrt weckte die Lutherdekade, mit der die Evangelische Kirche (EKD) im September in Wittenberg den Erinnerungsreigen zum 500. Jahrestag der Reformation einläutete, die Furcht vor antikatholischen Effekten. Auch wenn diese Sorge inzwischen gemildert sein dürfte, fehlt nach wie vor ein zündender ökumenischer Gedanke, der die Feiern von 2017 begleiten könnte. Klar scheint lediglich, dass die Reformation weder einseitig als «Morgenröte der Moderne» gefeiert noch als verhängnisvoller Auftakt der Kirchenspaltung verdammt werden sollte.

Die theologische Wissenschaft steht unterdessen vor bedeutenden ökumenischen Projekten. So wollen katholische und evangelische Theologen in den nächsten Jahren gemeinsam Martin Luthers 95 Ablassthesen kommentieren. Bewegung gibt es zudem in der Bewertung der Frage der apostolischen Nachfolge, einem der wichtigsten ökumenischen Streitpunkte. Zwei wichtige Veröffentlichungen werfen ein neues Licht auf die Diskussion um die rechtmäßige Nachfolge der Apostel durch die Bischöfe und könnten bei entsprechender Aufnahme durch die Kirchen einen Quantensprung bedeuten, der mit der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999 vergleichbar ist.

Für Aufsehen sorgte das Forschungsprojekt «Grund und Gegenstand des Glaubens nach römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Lehre». Theologen der päpstlichen Lateran-Universität sowie der evangelischen Fakultäten in Tübingen und Heidelberg versuchen, die Position des jeweiligen Gegenübers von innen heraus nachzuvollziehen. Das klingt zwar gut, richtet sich aber zugleich gegen die geübte Methode, nach Übereinstimmungen zwischen den Konfessionen zu suchen.

Die «ökumenische Eiszeit» jedoch, wenn es sie denn je gab, scheint vorüber - und auch die vielzitierte «Ökumene der Profile» verliert langsam ihren einseitig negativen Klang. Der Urheber des Schlagworts, der Berliner Bischof und EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber, präzisierte jüngst: Es sei nie seine Absicht gewesen, sich durch Abgrenzungen profilieren zu wollen. «Empfindsamkeit statt Empfindlichkeit» riet der katholische Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode der ökumenischen Bewegung. Die betont harmonischen Vorbereitungen für den 2. Ökumenischen Kirchentag 2010 in München sind ein Beispiel dafür.