Kirchen werben bei Tagung in Köln für ehrenamtliches Engagement

Man muss nicht Christ sein

Die beiden christlichen Kirchen haben angesichts einer zunehmenden Individualisierung zu mehr ehrenamtlichem Engagement aufgerufen. Immer mehr Menschen lebten in Verarmung, Ausgrenzung und Hoffnungslosigkeit, sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, am Freitag auf einer ökumenischen Tagung in Köln. Das habe mit einem Trend zur Vereinzelung und zur Bildung sozialer und kultureller Parallelgesellschaften zu tun. "Da sind wir Christen in besonderer Weise herausgefordert."

 (DR)

Die Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Petra Bosse-Huber, forderte eine Weiterentwicklung des Miteinanders von Kirche und Gesellschaft hin zu mehr Kooperation und Vernetzung. Der Direktor des Deutschen Jugendinstituts München, Thomas Rauschenbach, betonte, rund jeder dritte Deutsche sei ehrenamtlich engagiert. Kirchlich gebundene Menschen seien überproportional vertreten. Zu den stärksten Altersgruppen gehörten junge Menschen bis 29 Jahre sowie die 45- bis 65-Jährigen.

NRW-Generationenminister Armin Laschet (CDU) sprach angesichts der immer älter werdenden Gesellschaft von einer Herausforderung für ehrenamtliches Engagement. Im Jahr 2020 hätten rund ein Drittel der Deutschen keine eigenen Kinder oder Enkel mehr. «Wo findet da Generationenbegegnung statt, wenn nicht im Ehrenamt?», fragte Laschet. An der Tagung von ZdK und Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD) unter dem Titel «Um Gottes Willen. Wir engagieren uns» nahmen 350 katholische und evangelische Experten für das Thema Ehrenamt teil.

Bosse-Huber betonte, immer mehr Menschen seien bereit, ehrenamtlich Verantwortung zu übernehmen. «Im kirchlichen Bereich gibt es so viele Ehrenamtliche wie nie.» Sie engagierten sich etwa in der Tafelbewegung, bei Putzaktionen im öffentlichen Raum und in Kinderbetreuungen, die keine staatliche Förderung mehr erhielten.
Grund für den Anstieg der Zahl ehrenamtlich Engagierter seien auch veränderte Rahmenbedingungen. «Kirche, Diakonie und Caritas haben gelernt, dass das ehrenamtliche Engagement zwar unentgeltlich, aber nicht umsonst zu haben ist.» Die Freiwilligen erhielten heute größere Anerkennung als früher, mehr Förderung und Ausbildung. Ein wichtiger Punkt sei der schriftliche Nachweis ihrer Tätigkeit, der ihnen etwa bei der Arbeitsplatzsuche helfen könne.

Mit der Tagung, die am Samstag endet, wollen die Kirchen nach Angaben des ZdK-Präsidenten auf den vielfältigen und großen Einsatz von Christen für die Allgemeinheit aufmerksam machen. Außerdem sollen neue Formen des Ehrenamtes erörtert werden. Meyer warnte zugleich die Politik davor, staatliche Hilfen immer weiter zurückzufahren und die Aufgaben auf Ehrenamtliche abzuschieben. «Wer sich ehrenamtlich engagiert, ist kein Lückenbüßer und kein Wasserträger.» Meyer verwies auf den Ökumenischen Kirchentag 2010 in München, der sich intensiv mit gesellschaftlicher Verantwortung von Christen beschäftigen werde.