Der Herzogenauracher Pfr. Hetzel über die Schaeffler-Krise

"Die Stimmung ist regelrecht depressiv"

Die Bürger der fränkischen Stadt Herzogenaurach leiden unter der Krise beim Schaeffler-Konzern.

 (DR)

Der katholische Pfarrer Helmut Hetzel, der zuvor für den Konsolidierungs- und Umstrukturierungsprozess im Erzbistum Bamberg verantwortlich war, erlebt die Sorgen der Menschen aus nächster Nähe. Im Interview spricht er über die Stimmung in der Stadt, die Unterstützung der Kirche und über seine Entscheidungen während der Umstrukturierungen im Erzbistum.

Katholische Nachrichtenagentur (KNA): Herr Pfarrer Hetzel, wie erleben Sie die Krise bei Schaeffler?
Hetzel: Ich spüre sie hier überall. Egal, wo ich hinkomme, das Gesprächsthema ist Schaeffler. Die Beschäftigten haben Angst, und auch auf der Straße heißt es immer wieder: Mein Gott, es geht alles den Bach runter. Die Stimmung ist regelrecht depressiv.

KNA: Was sagen Sie den Menschen?
Hetzel: Ich kann momentan nur zuhören. Natürlich versuche ich auch Hoffnung zu geben, denn ich glaube nicht, dass die ganze Firma zugemacht wird. Die Frage ist vielmehr, wie es weitergeht. Es bringt aber nichts, einfach zu sagen, es wird schon alles gut. Das wäre dummes Gerede.

KNA: Was macht die Kirche in Herzogenaurach?
Hetzel: Ich habe heute mit dem Betriebsrat von Schaeffler vereinbart, dass wir jeden Mittwochabend anstelle des Kreuzweges ein Solidaritätsgebet machen. Als Pfarrei solidarisieren wir uns mit den Beschäftigten, die bei Schaeffler angestellt sind und in den Zulieferfirmen. Ich habe zwar keine Milliarden - wenn ja, würde ich sie gerne geben -, aber dennoch soll den Menschen klar sein: Wenn irgendetwas ist, wir stehen euch zur Seite.

KNA: Suchen die Menschen auch die Unterstützung der Kirche?
Hetzel: Es läutet niemand am Pfarrhaus und will mit mir über Schaeffler reden. Aber nach den Gottesdiensten wird viel unter den Besuchern gesprochen. Da bin ich dabei. Für mich war es deshalb selbstverständlich, dass wir unsere Lautsprecheranlage kostenlos für die Großdemonstration zur Verfügung gestellt haben und ich auch mit meinem evangelischen Kollegen vor Ort war.

KNA: Maria-Elisabeth Schaeffler gilt als sehr wohltätig - leidet die Kirche jetzt auch unter der Krise?
Hetzel: Noch nicht. Sie wird es aber in den kommenden Jahren aufgrund der Beschäftigungssituation massiv spüren, weil die Kirchensteuer von der Wirtschaftskraft abhängig ist. Im Übrigen ist es im Moment völlig unerheblich, ob Frau Schaeffler spendet oder nicht. Es geht um die Menschen. Außerdem sind Neiddiskussionen über Pelzmäntel lächerlich. Frau Schaeffler kämpft wirklich um das Unternehmen.

KNA: Sie waren im Erzbistum für die Konsolidierung verantwortlich. Denken Sie angesichts der Krise anders über ihre Tätigkeit nach?
Hetzel: Ich habe damals schon gesagt, dass wir als Kirche nicht wie in der Wirtschaft Menschen einfach vor die Tür setzen dürfen. Wir müssen zwar auch Personal reduzieren, es muss aber so sein, dass möglichst keiner Nachteile hat. Wir haben aber auch Fehler gemacht.

Ich merke jetzt, wie wichtig es ist, dass Menschen möglichst schnell Klarheit über ihre Situation bekommen. Nichts Genaues zu wissen - das ist das Schlimmste, auch jetzt für die Schaeffler-Beschäftigten.

Als ich damals die Konsolidierung den Mitarbeitern auf einer Betriebsversammlung erklären musste, war das einer meiner schwersten Momente.

KNA: Was erwarten Sie sich von den Bischöfen, die sich diese Woche auch mit der Wirtschaftskrise befassen?
Hetzel: Die Menschen erwarten klare Worte und Solidarität mit den Betroffenen. In der letzten Sozialenzyklika von Papst Johannes Paul II. ist ganz deutlich der Kapitalismus in seiner brutalen Form und der Kommunismus verurteilt, die soziale Marktwirtschaft aber gelobt worden. Mein Wunsch wäre, dies deutlich der Politik und der Wirtschaft mitzugeben.