Jeder siebte Jugendliche gibt sich sehr ausländerfeindlich

Erschreckende Studienergebnisse

Die Gewalt von Jugendlichen in Deutschland ist entgegen allgemein öffentlicher Wahrnehmungen in den vergangenen zehn Jahren leicht gesunken. Sorge bereitet hingegen die Tatsache, dass bei den Jungen rechte Gesinnungen deutlich ausgeprägt sind. Das geht aus einer Studie des Bundesinnenministeriums hervor, die am Dienstag vorgestellt wurde.

 (DR)

Rund jeder siebte Jugendliche in Deutschland ist nach einer Studie als "sehr ausländerfeindlich" einzustufen. Dies seien 14,4 Prozent der Jugendlichen, sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, am Dienstag in Berlin. Von den jungen Männern seien überdies 4,9 Prozent nach eigenen Angaben Mitglied in rechtsextremen Gruppen oder Kameradschaften. Pfeiffer stellte gemeinsam mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) erste Ergebnisse des Forschungsprojekts "Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt" vor.

Auffallend seien die starken regionalen Unterschiede, erläuterte Pfeiffer. Während in einigen Gebieten überhaupt keine Jugendlichen rechtsextremen Gruppen angehörten, seien es in anderen bis zu zwölf Prozent. Dabei gebe es sowohl im Westen wie im Osten Regionen ohne beziehungsweise mit besonders vielen Jugendlichen in der rechtsextremen Szene. Pfeiffer vermutete, rechtsextreme Bands funktionierten hier als "emotionales Bindemittel erster Ordnung".

Mehr als 44.600 Schüler von im Durchschnitt 15 Jahren befragt
Es sei aber auch zu prüfen, wie Präventionsprojekte oder Freizeitangebote sich auf die Ergebnisse auswirkten, sagte Pfeiffer. Für die Studie wurden 2007 und 2008 in 61 Landkreisen und kreisfreien Städten mehr als 44.600 Schüler von im Durchschnitt 15 Jahren befragt.

Schäuble sagte, die Zahlen seien Anlass, die Bemühungen in der Prävention weiter zu intensivieren. Dies sei eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, nannte die Studie im "Tagesspiegel" (Mittwochsausgabe) "alarmierend". Insbesondere die Hauptschulen seien jetzt gefordert, durch Aufklärungsarbeit und einen fundierten Geschichtsunterricht diesen Auswüchsen entgegenzuwirken.

Der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg, kritisierte, der Rückzug von Staat und Gesellschaft aus einer aktiven Jugendarbeit sei für rechte Gruppierungen besonders in ländlichen Regionen "ein gefundenes Fressen". Daher müsse mehr in die gesellschaftliche Infrastruktur investiert werden.

Weniger Gewalt, aber gefilmt
Insgesamt ist die Jugendgewalt seit 1998 nach Angaben Pfeiffers überwiegend leicht gesunken oder zumindest konstant geblieben: Grund sei, dass die Gewalt in den Familien abnehme und sich in den Schulen eine "Kultur des Hinschauens" etabliere. Mehr als drei Viertel der Jugendlichen hätten im Jahr vor der Befragung keine Gewalt erfahren. 16,8 Prozent wurden mindestens einmal Opfer einer Gewalttat. 2,9 Prozent aller Jugendlichen verübten schwere Körperverletzungen. Neu dabei sei, dass jeder fünfte Täter seine Tat auch fotografiere oder filme, sagte Pfeiffer.

Höher als die Gewalt durch Gleichaltrige fielen der Befragung zufolge die innerfamiliären Gewalterfahrungen aus: Leichte Gewalt wie etwa Ohrfeigen hat demnach im Jahr vor der Befragung jeder fünfte Jugendliche erlebt, von schwerer Gewalt wie Fausthieben berichteten 5,7 Prozent. Gewalthaltige Medien wie die sogenannten Killerspiele, über die seit dem Amoklauf von Winnenden erneut diskutiert wird, seien ein "Belastungsfaktor" für die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen, sagte Pfeiffer. Entscheidend seien sie aber nicht.

Insgesamt begingen der Studie zufolge Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger Gewalttaten als deutsche Jugendliche. Bei den Mehrfachtätern erreichen demnach Jugendliche aus dem früheren Jugoslawien mit 9,4 Prozent den höchsten Wert, gefolgt von Türken mit 8,3 Prozent. Jugendliche aus Asien (2,6 Prozent) und Deutschland (3,3, Prozent) werden am seltensten mehrfach gewalttätig.

Die Unterschiede werden aber komplett ausgeglichen, wenn man Jugendliche unterschiedlicher Herkunft mit denselben familiären, schulischen und sozialen Rahmenbedingungen vergleicht, berichten die Forscher. Insgesamt sei die höhere Quote an Gewalttätern unter jungen Migranten zentral auf die häufigere innerfamiliäre Gewalt zurückzuführen.