Abtprimas Notker Wolf über knappe Zeit, Pfeife-Rauchen und Rockmusik

"Wir sind Getriebene statt Treibende"

Als Abtprimas steht Notker Wolf an der Spitze von Mönchen in 800 Benediktiner-Klöstern weltweit, reist quer durch die Welt und führt damit zeitweise das Leben eines Managers. Aus dieser Erfahrung heraus geht er in seinem neuen Buch "Gönn Dir Zeit. Es ist Dein Leben" der Frage nach einer sinnvollen Zeiteinteilung nach. Petr Jerabek sprach mit dem weltweit obersten Benediktiner über das Zeitmaß der Mönche, den Wert des Pfeiferauchens und seine musikalischen Träume.

Autor/in:
ddp
 (DR)

ddp: Warum ein Buch über die Zeit?
Wolf: Ich bin vom Herder-Verlag um dieses Buch gebeten worden. Aber
die Gedanken gehen mir schon lange im Kopf um, weil ich selbst
Probleme habe, mit der verfügbaren Zeit zurecht zu kommen. «Die
Erfindung der Langsamkeit» kann die Lösung nicht sein. Wir sind nun
mal Kinder unserer Zeit.

ddp: Wo sehen Sie heute das größte Problem mit der Zeit?
Wolf: Gerade Menschen in Führungsposition werden getrieben. Man
erwartet von ihnen ständige Verfügbarkeit. Die technischen
Hilfsmittel wie Handy und Laptop sollten uns eigentlich die Arbeit
erleichtern. In Wirklichkeit sollen wir die Arbeit noch schneller
erledigen. Wir sind Getriebene statt Treibende.

ddp: In Ihrem Buch ist viel vom Zeitmaß der Mönche die Rede. Können
Menschen im Berufs- und Familienalltag aus dem geregelten Leben der
Mönche Lehren ziehen?
Wolf: Jeder ist gefordert, seine Zeit einzuteilen. Die Mönche haben
eine feste Tagesstruktur. Ich meine, dass sollten sich auch andere
Menschen zulegen, eine Grundstruktur, die dann noch genügend Raum für
Flexibilität lässt.

ddp: Welche Erkenntnis ist Ihnen mit Blick auf die Zeit besonders
wichtig?
Wolf: Nicht alles ist so wichtig, wie wir meinen, vor allem wir
selber nicht.

ddp: Sie gehen im Buch sehr offen mit Ihrer Vorliebe für ein gutes
Glas Wein und das Pfeiferauchen um. Dies überrascht angesichts
gängiger Vorstellungen von einem gottgeweihten Leben.
Wolf: Auch ein gottgeweihtes Leben braucht bei aller Askese das
rechte Maß. Sonst glückt das Leben nicht. Das gottgeweihte Leben
dauert ein Leben lang, nicht nur eine kurze Fastenperiode. Es braucht
auch Zeiten der Entspannung und des Ausgleichs. Der heilige Benedikt
hat den Mönchen einen knappen halben Liter Wein als tägliches
Tischgetränk zugestanden, in Zeiten harter Arbeit oder großer
Sommerhitze sogar etwas mehr. Die Pfeife ist nicht dasselbe wie eine
rasche Zigarette. Sie vermittelt Ruhe und Gemütlichkeit, ein
Gegengewicht, um sich nicht stressen zu lassen.

ddp: Im vergangenen Jahr haben Sie Deep Purple bei «Smoke On The
Water» an der E-Gitarre begleitet. Gibt es eine Rockgruppe, mit der
Sie irgendwann gern noch einmal auftreten würden?
Wolf: Mit Jan Anderson beziehungsweise Jethro Tull bei «Locomotive
Breath», diesmal mit der Querflöte.

ddp: Sie erläutern im Buch einige Regeln des Heiligen Benedikt.
Bayern gilt als «Terra Benedicta». Ist Ihrer Meinung nach davon heute
noch etwas zu spüren im Vergleich zu anderen Bundesländern?
Wolf: Die Bayern fallen meines Erachtens nicht so leicht Ideologien
anheim. Das Grundprinzip Benedikts ist das rechte Maß. Sie sind auch
von Grund auf gegen allen Zentralismus geimpft. Die
Selbstständigkeit, aber auch die dementsprechende Verantwortung, ist
ein benediktinisches Lebensprinzip.

Buchtipp:
Abtprimas Notker Wolf: «Gönn Dir Zeit. Es ist Dein Leben», Verlag
Herder, 160 Seiten, 14,95 Euro, ISBN 978-3-451-30187-2