Cousine des Hitler-Attentäters erinnert sich an warmherzigen Menschen

Der humorvolle Stauffenberg

Markantes Profil, entschlossener Blick - so kennt man Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg von Bildern. Seine Familie hat den Widerstandskämpfer als besonders humorvoll in Erinnerung. Marie-Gabriele von Stauffenberg, Cousine des Grafen, ist die letzte Zeitzeugin, die die Ereignisse um den 20. Juli 1944 als Erwachsene miterlebt hat.

Autor/in:
Kerstin Conz
 (DR)

Cousin Claus kam in ihrem Elternhaus Schloss Jettingen im bayerischen Schwaben zur Welt. Noch heute lebt die alte Dame dort in einer kleinen Wohnung auf dem ehemaligen Familiensitz zwischen Augsburg und Ulm.

Damals sahen sich die beiden eher selten. Claus wächst mit seinen Brüdern am württembergischen Königshof in Stuttgart und dem Landsitz Schloss Lautlingen auf der Schwäbischen Alb auf. Doch einmal kommt er länger zu Besuch. "Durch sein schnelles Wachstum war er gesundheitlich etwas zart", erinnert sich die Cousine. Vier Wochen sollte sich der spätere Widerstandkämpfer bei ihr daheim kurieren.

Noch heute fühlt sich die Gräfin ein bisschen geschmeichelt, weil Claus sich mit seiner kleinen Cousine abgab. "Er war ein sehr heiterer Mensch." Ganz anders als Stauffenberg-Darsteller Tom Cruise, betont sie. Gabriele von Stauffenberg findet den Film zwar gut: "Es wurden keine historischen Fehler gemacht." Doch er endet, wo für die überlebenden Stauffenbergs das Drama beginnt: Nach der Hinrichtung der Verschwörer Claus und Berthold Stauffenberg landet der Rest der Familie im KZ.

"Damit so etwas nie wieder vorkommt"
Damals, so erinnert sich die Cousine, geben sie sich ein Versprechen: Nie über diese Zeit zu sprechen. Jetzt bricht die 94-Jährige ihr Schweigen: "Die Jüngeren müssen wissen, wie es damals war, damit so etwas nie wieder vorkommt", sagt die Gräfin. Deshalb kommt sie am Dienstag, 28. Juli, zu einer Podiumsdiskussion ins Haus der Geschichte nach Stuttgart.

Für die Historiker ein Glücksfall. Denn bisher wusste man nur wenig über die Zeit nach dem Attentat, wie Christopher Dowe, Stauffenberg-Experte am Haus der Geschichte, sagt. Er beschreibt Stauffenberg als einen "Menschen, der sich nicht verbogen hat" und auch mit einfachen Menschen schnell ins Gespräch kam. Ein Demokrat im heutigen Sinn sei er jedoch nicht gewesen.

1932 war Stauffenberg noch für Hitler als Reichspräsident. Der Adlige träumte von einer Art moderner Ständerepublik. Erst 1942 habe er sich nach langem Ringen für den Widerstand entschieden. Der beginnende Holocaust, die brutale Besatzungspolitik und die dilettantische Kriegsführung der Nazis gaben den Ausschlag. Dass es der ältere Bruder Berthold war, der Claus von Stauffenberg überhaupt erst in den Kreis der Widerständler eingeführt hat, wird dabei oft vergessen.

Inbegriff des deutschen Widerstands

An den Tag des Attentats erinnert sich Gabriele von Stauffenberg noch ganz genau. Obwohl ihr Verlobter Joachim Kuhn den Sprengstoff besorgt hatte, wusste die junge Frau nichts von den Plänen. Ahnungslos sitzt sie beim Frühstück, als der Onkel ihr vom Attentat und der Hinrichtung ihres Cousins berichtet. Gabriele besucht gerade ihre Verwandten in der Nähe von Freiburg, wo sie Medizin studieren will. Doch daraus wird nichts. Der Besitz wird beschlagnahmt, die Familie wird von den Nazis verschleppt und fast ein Jahr lang gefangen gehalten. Gabriele kommt in die KZ nach Stutthof, Buchenwald und Danzig. Stauffenbergs Witwe Nina bringt in Gefangenschaft sogar noch ein Mädchen zur Welt. Ihre Kinder sollen jedoch zur Adoption freigegeben werden.

Trotz dieser schweren Zeit habe die Familie die Attentäter nie verurteilt, sagt Gräfin Gabriele. In der deutschen Bevölkerung war das lange Zeit anders. "Es gab überhaupt keine Zustimmung für das Attentat. Das hat sich erst spät geändert", findet sie. Heute sind die Stauffenbergs der Inbegriff des deutschen Widerstands gegen das Nazi-Regime - in der Schule wie im Kino. Die Familie sei dafür "sehr dankbar". Stauffenbergs Freund und Gabrieles Verlobter Joachim Kuhn wurde bis zu seinem Tod nicht rehabilitiert.