Vor 60 Jahren

Gedenken an eine noble Geste

Thomas Mann stiftete den Goethe-Nationalpreis für die Weimarer Herderkirche.

Autor/in:
Thomas Bickelhaupt
 (DR)

Bei seiner Abreise aus Weimar am 2. August 1949 bedankte sich Thomas Mann mit einer noblen Geste: Das Preisgeld für den Goethe-Nationalpreis, den er tags zuvor im Deutschen Nationaltheater mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt erhalten hatte, stiftete er für den Wiederaufbau der kriegsbeschädigten Stadtkirche St. Peter und Paul. Heute erinnert die Stadt mit einer Kranzniederlegung am Theater an Thomas Manns Besuch vor 60 Jahren. Seine spontane Finanzhilfe für den spätgotischen Kirchenbau, der weithin als Herderkirche bekannt ist und seit 1998 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, stieß zwar bei den Empfängern in Weimar und weit darüber hinaus auf ungeteilte Zustimmung. Doch gleichzeitig irritierte seine Entscheidung, die er auf einer Pressekonferenz in Weimar bekanntgegeben hatte, die Kulturbehörden der sowjetischen Besatzungsmacht.

Sie hofften insgeheim auf die 20.000 Ostmark als Spende für die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN). So aber veranlasste der Dichter schließlich auch die Thüringer Landesregierung, für den Wiederaufbau der Kirche 100.000 Mark zur Verfügung zu stellen. Sie war beim Luftangriff auf Weimar am 9. Februar 1945 schwer getroffen und beschädigt worden.

Wichtigste Ziel seines ersten Deutschland-Besuchs nach dem Exil
Für Thomas Mann war die Stadt vor 60 Jahren, zum Goethe-Jahr 1949, neben Frankfurt am Main das wichtigste Ziel seines ersten Deutschland-Besuchs nach dem Exil. Weil die Reiseplanung jedoch eine Weimar-Visite zum 200. Geburtstag Johann Wolfgang Goethes am 28. August nicht zuließ, verlieh der ostdeutsche Goethe-Ausschuss den für damalige Verhältnisse hoch dotierten Preis schon am 1. August.

"Ich glaube, dass es wohl am besten sein wird, ihn der Wiederherstellung der Herderkirche zu widmen", sagte der Schriftsteller nach der Ehrung auf eine entsprechende Frage. Weimars Oberbürgermeister Hermann Buchterkirchen (CDU) bedankte sich ebenso überschwänglich wie die örtliche Kirchgemeinde und ihr in Eisenach residierender Landesbischof Moritz Mitzenheim.

"Eine pädagogische Mahnung an die Kirche"
Dieser wandte sich am 2. August bei einem Empfang in Eisenach direkt an Thomas Mann. In seiner finanziellen Zuwendung dürfe man "nicht nur den namhaften, ja entscheidenden Beitrag zur Wiederherstellung eines kirchlichen Bau- und Kunstdenkmals erblicken", betonte der Bischof. "Weit darüber hinaus" sei dies "eine pädagogische Mahnung an die Kirche und an unser gesamtes Volk und zugleich wohl auch eine Anerkennung der pädagogischen Verpflichtung, die der Kirche aufgegeben ist", fügte Mitzenheim hinzu.

Über den Wiederaufbau der Kirche informierten Thomas Mann im fernen Kalifornien regelmäßig Briefe. Bereits am 10. Dezember 1949 wurde auf dem erneuerten Dachstuhl Richtfest gefeiert. Nach weiteren dreieinhalb Jahren folgte am 14. Juni 1953 die feierliche Wiedereinweihung.

Vom Preisgeld wurden 16.000 Mark für den Dachstuhl als dem wichtigsten Teil der Bauarbeiten und 4.000 Mark für die Restaurierung des Reformationsaltars von Lucas Cranach verwendet. Am Wiederaufbau der Kirche mitgeholfen zu haben, schrieb Thomas Mann bereits Anfang 1950 an den Weimarer Superintendenten Richard Kade, "ist mir eine wahre Genugtuung".