Ukrainischer Erzbischof Mokryzcki war Sekretär zweier Päpste

"Im Volk ist Johannes Paul II. bereits ein Heiliger"

Nicht viele Kirchenmänner können von sich behaupten, Privatsekretär zweier Päpste gewesen zu sein. Mieczyslaw Mokrzycki, seit 2007 lateinischer Erzbischof von Lemberg, diente zunächst Johannes Paul II. (1978-2005) und dann dem neu gewählten Benedikt XVI. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur spricht Mokrzycki auch über die letzten Stunden im Leben von Johannes Paul II., dessen Seligsprechung am Wochenende ein Stück näher gerückt ist.

 (DR)

KNA: Herr Erzbischof, der Samstag war sicher ein guter Tag für Sie, als Papst Benedikt XVI. seinem Vorgänger Johannes Paul II. den heroischen Tugendgrad zusprach. Damit ist eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Seligsprechung des Papstes aus Polen genommen.
Mokrzycki: Nicht nur für mich war das ein guter Tag. Schon bei der Beerdigung riefen die Menschen «santo subito», «heilig sofort». Im Empfinden des Volkes ist Johannes Paul II. bereits ein Heiliger. Viele schicken bereits Fürbitten zu ihm. Die Menschen von heute brauchen ein Vorbild, einen Orientierungspunkt. Gerade er hat die Probleme der modernen Welt, in der wir leben, ganz deutlich angesprochen. Und einen konkreten Weg aufgezeigt.

KNA: Sie waren einer der wenigen Menschen, die beim Tod des Papstes Anfang April 2005 die ganze Zeit bei ihm waren. Was geschah in seinen letzten Stunden?
Mokrzycki: Johannes Paul II. war ja bereits lange Zeit gesundheitlich angeschlagen, sodass sich die Menschen innerlich auf seinen Tod vorbereiten konnten. Am Donnerstag [31. März 2005, d. Red.] erlitt er während der Heiligen Messe einen septischen Schock, eine Vergiftung des ganzen Körpers. Danach war allen klar, dass es keine Hoffnung mehr auf Genesung geben konnte. Die Mediziner versicherten uns, dass eine uneingeschränkte Versorgung auch im päpstlichen Haushalt möglich sei. Daher ist auf eine neuerliche Verlegung ins Krankenhaus verzichtet worden. Das entsprach seinem ausdrücklichen Willen. Er sollte die letzten Stunden bei sich zuhause erleben.

KNA: Wie war die Stimmung im Krankenzimmer?
Mokrzycki: Der Papst war bei vollem, klarem Bewusstsein, nahm mit sichtbarer innerer Anteilnahme an der Messe teil und hörte die Schriftlesungen und Meditationen. Viele Besucher kamen: Kardinäle, Bischöfe und Freunde, die ihn noch einmal sehen wollten. Das war auch sein eigener Wunsch. Er war ganz ruhig und sich seiner Situation voll bewusst, antwortete mit Gesten. Alle, die ihn noch besucht haben, waren angerührt von seiner geistigen Präsenz. Am Samstagnachmittag [2. April, d. Red.] ließ sein Bewusstsein allmählich nach. An der Messe am Vorabend des Barmherzigkeitssonntags hat er noch teilnehmen können. Nach der Messe ist er dann sehr ruhig eingeschlafen.

KNA: Und kam danach Hektik auf?
Mokrzycki: Nein, weil jeder vorbereitet war. Das, was dann folgt, ist genau durch das Protokoll geregelt, und jeder der Beteiligten kannte seine Aufgaben. Die Schwestern verließen das Sterbezimmer, der päpstliche Zeremoniar legte die entsprechenden Gewänder bereit. Nachdem der Papst in die Kapelle überführt wurde, konnte der Camerlengo am Sonntagmorgen die Privaträume des Papstes versiegeln.

KNA: Waren Sie überrascht, dass der Vatikan nun zwei sehr verschiedenen Päpsten zugleich den «heroischen Tugendgrad» zugesprochen hat? Pius XII. war damit plötzlich viel mehr Thema als Johannes Paul II.
Mokrzycki: Wir dürfen getrost dem Urteilsvermögen von Benedikt XVI. vertrauen. Die Kirche wollte diese beiden Päpste gemeinsam als Beispiele vorstellen - zwei Päpste, die beide in ihrer Zeit zum Frieden in der Welt beigetragen haben: der eine beim Fall der Mauer, der andere durch seine Gebete und diplomatischen Bemühungen im Zweiten Weltkrieg.

KNA: Wie waren «Ihre Päpste» als Chefs?
Mokrzycki: Untereinander hatten sie ein sehr enges, vertrauensvolles und freundschaftliches Verhältnis. Sie waren natürlich sehr unterschiedliche Charaktere: Johannes Paul II., ein sehr couragierter, mutiger Mann. Und Benedikt XVI., der große Theologe mit einer Vision der Kirche. Eine eher scheue Person, aber in der Sache sehr entschieden. Bei beiden habe ich mich sehr wohlgefühlt. Johannes Paul II. hat mich fast wie seinen eigenen Sohn behandelt. Und auch Benedikt XVI. schafft in seiner Hausgemeinschaft ein herzliches, familiäres Klima. Obwohl wir uns vor seiner Papstwahl persönlich noch wenig kannten, fragte er mich allmählich dann auch nach persönlichen Dingen.

KNA: War der Verbleib als Sekretär auch des neuen Papstes nicht eine große Überraschung für Sie?
Mokrzycki: Eine Überraschung, ja, und eine große Freude. Er rief mich zu sich und fragte mich, ob ich nicht als zweiter Sekretär bleiben wolle. Eine große Geste, auch gegenüber seinem Vorgänger.

KNA: Und der Sekretär des Papstes wurde auch zu dessen Lehrer - Polnischlehrer.
Mokrzycki: Der Papst war ein sehr, sehr guter Schüler - leider hatte er natürlich nicht viel Zeit. Aber seine polnische Aussprache ist sehr gut - und die Polen schätzen es sehr, dass er es auf sich nimmt, diese schwierige Sprache zu sprechen.

Interview: Alexander Brüggemann