Behinderte bei der Partnersuche brauchen meist spezielle Hilfe

"Wie ein ganz normales Pärchen"

Oliver und Astrid sind kein "ganz normales Pärchen". Beide haben eine Lernbehinderung und brauchen einen Betreuer, der ihnen hilft, den Alltag zu meistern. Sie passen nicht in die Schublade für Schöne und Erfolgreiche. Ihr Etikett heißt "behindert". Oliver und Astrid sind mittlerweile seit drei Jahren verlobt. Und doch ist Partnerschaft unter Behinderten immer noch ein Tabu.

Autor/in:
Ellen Großhans
 (DR)

«Als ich sie gesehen hab', sind mir ihre Haare aufgefallen. Die waren schön lang. Und schöne Augen hatte sie auch», erzählt Oliver. Er selbst habe beim ersten Treffen noch einen Schnurrbart gehabt. «Ich hab' schrecklich ausgesehen. Sie wollte mich aber trotzdem wiedersehen», erzählt der 31-Jährige.  Sie wollen in eine gemeinsame Wohnung ziehen und später vielleicht einmal heiraten. «Wie ein ganz normales Pärchen», sagt Oliver stolz.

«In unserer Gesellschaft ist man immer noch der Ansicht, dass nur ein gesunder Mensch ein Recht auf Partnerschaft und Sexualität hat. Partnerschaft unter Behinderten ist ein Tabu», sagt Bernd Zemella. 1998 hat Zemella in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg die deutschlandweit erste Partnervermittlung für geistig Behinderte gegründet. Das Beispiel der «Schatzkiste Partnervermittlung» machte Schule. Mittlerweile gibt es in ganz Deutschland mehr als 20 Schatzkisten.

Zemella erfüllt Lernbehinderten, Epileptikern, Schizophrenen, Autisten oder Manisch-Depressiven ihren großen Traum von Liebe und Zweisamkeit. Auch Astrid und Oliver hat Zemella zusammengebracht. «Wegen Bernd muss ich heute nicht mehr alles alleine machen. Und auch wegen meiner Mutter. Die wollte, dass ich zum Bernd gehe», erzählt Oliver. Rund 70 Paare hat Zemella mit Hilfe der Schatzkiste Hamburg bisher erfolgreich zusammengebracht. Der Weg dorthin ist allerdings alles andere als einfach.
Lange Wartezeiten
«Bei sehr schweren psychischen Beeinträchtigungen kann ich häufig nicht weiterhelfen», sagt Zemella. Die Wartezeiten seien zudem lang, da viel mehr Männer als Frauen in der Kartei der Schatzkiste auf die Liebe warteten. «Die Frauen sind ängstlicher. Eine große Rolle spielt die Furcht vor einer ungewollten Schwangerschaft.» Meist seien die Männer unerfahrener, unbeholfener und ungestümer. «Viele wissen schlicht nicht, wie sie auf Frauen zugehen sollen. Sie haben zu hohe Ansprüche und verlangen den Frauen zu große Zugeständnisse ab», erläutert Zemella. Mittlerweile hat der Psychologe auch Flirt-Tipps für Männer im Programm.

Spezielle Angebote wie die Schatzkiste sind für Behinderte oft die einzige Möglichkeit, ihrem Wunsch nach Partnerschaft näherzukommen.Der Weg über Kontaktanzeigen oder nicht spezialisierte Partneragenturen ist selten erfolgreich. «Nichtbehinderte Menschen wissen oft wenig über das Leben Behinderter», sagt Elisabeth Fischer von der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und ihren Angehörigen. Daher sei der Vermittlungswunsch eines behinderten mit einem nichtbehinderten Menschen auch seltener von Erfolg gekrönt. Auch Oliver hat es mit Zeitungsannoncen versucht, bevor er zur Schatzkiste kam. «Entweder kam gar keine Reaktion, oder ich wurde verarscht. Das war sehr frustrierend», sagt er im Rückblick.

Menschen mit Handicap, Partner mit Handicap?
Peter Itzek, Leiter der P+M Partnervermittlung in München, ist überzeugt, dass Menschen mit Handicap besser zu einer ebenfalls beeinträchtigten Person passen. «Das gegenseitige Verständnis ist viel größer», sagt Itzek. Er habe zu oft erlebt, dass Behinderte in ein tiefes Loch fielen, wenn der gesunde Partner nach einiger Zeit einen Rückzieher machte.

Itzek vermittelt vor allem Männer und Frauen mit körperlichen Handicaps. Bis zu 50 Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Amputationen melden sich monatlich bei ihm und klagen ihr Leid. «Sie kritisieren, dass sie nicht ernst genommen und als Neutrum behandelt werden.

Selbst Familie und Freunde trauen Behinderten häufig nicht zu, eine Partnerschaft zu meistern», sagt Itzek. Dabei sei genau das Gegenteil der Fall. Für seine Kunden sei das Aussehen weniger wichtig, was zähle seien Nähe und Zärtlichkeit. «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Behinderte viel tiefer fühlen als Nichtbehinderte.»

Oliver sagt, sein Leben sei viel glücklicher geworden, seit er Astrid kennengelernt habe. «Wir gehen essen, machen Ausflüge und kuscheln. Wir können mehr als Fernsehen gucken.»