Benedikt XVI. besucht zum ersten Mal Roms Synagoge

Bewegende Gesten und klärende Worte

Vom Vatikan zur Synagoge am römischen Tiberufer sind es gerade mal zwei Kilometer. Dennoch war die Fahrt für den Papst aus Deutschland sicher weiter als manche Reise in die Weltkirche. Ob der Besuch von Benedikt XVI. am Sonntagnachmittag "historisch" war, wie italienische Medien bereits zum Abschluss schrieben, muss sich zeigen. Sicher war er eine wichtige Etappe für Papst und katholische Kirche im Kontakt zum Judentum. Eine Reportage von Johannes Schidelko.

 (DR)

Zum tragenden Gesang des Psalms 126 begleitete Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni den Papst durch den Mittelgang zum Podium. Applaus kam erst auf, als beide nebeneinander Platz nahmen und die jüdische Gemeinde für die große Geste des Besuchs dankte.

Mit Nachdruck stellte Benedikt XVI. klar, dass für die Kirche der vom Konzil vor 40 Jahren eingeschlagene Weg der Aussöhnung mit dem Judentum unwiderruflich sei. Der Dialog müsse weitergehen und die Freundschaft wachsen. Eine wichtige Klarstellung, nachdem der Streit um Piusbrüder und Karfreitagsbitte gerade in jüdischen Kreisen Italiens Befürchtungen über den Kurs der katholischen Kirche geschürt hatte. Auffallend oft bezog sich der sehr konzentriert und angespannt wirkende Papst zudem auf seinen Vorgänger Johannes Paul II. und dessen tatsächlich "historischen" Besuch von 1986.

Unter schärfsten Sicherheitsmaßnahmen war Benedikt XVI. vom Vatikan an den Tiber gereist. Eindringlich beschwor er das gemeinsame Erbe von Juden und Christen. Das ethische Grundgesetz der "Zehn Gebote" schaffe Gemeinsamkeiten, wie es sie zu anderen Religionen nicht gebe. Felder der Kooperation für eine bessere Welt gebe es genug: Den Einsatz für die Natur, für das Leben, für Menschenrechte, für Arme und Bedürftige, für Gerechtigkeit und Frieden. Eine Themenliste, die Di Segni zuvor fast gleichlautend aufgestellt hatte.

Für Benedikt XVI. standen die theologischen Aussagen im Vordergrund. Noch stärker beachtet wurden jedoch seine Aussagen zu Antisemitismus, Antijudaismus und zur Schoah. Hierzu fand er diesmal deutlichere Worte als vor einem halben Jahr im israelischen Yad Vaschem. Er verurteilte jede Form von Antisemitismus, entschuldigte sich für das Fehlverhalten von Christen gegenüber jüdischen Mitbürgern. Und er bezeichnete die Schoah als ein "einzigartiges Drama", als "Gipfelpunkt des Hasses". Unter dem Applaus des Plenums rief er: "Mögen die Wunden des Antisemitismus für immer heilen."

Den klärenden Worten des Papstes gingen offene, vor allem politische Äußerungen der jüdischen Gastgeber voraus. Sie warnten vor der Bedrohung Israels durch eine souveräne Macht, die Nukleartechnologie zu militärischen Zwecken entwickele. Sie warnten vor Kräften, denen es auch mit religiöser Motivation nicht nur um die kulturelle, sondern auch um die physische Vernichtung jüdischen Lebens gehe. Daher sei der Kontakt mit dem moderaten Islam dringend geboten. Besonders erfreut begrüßte der Synagogenvorstand daher Vertreter der Muslime in der Synagoge.

Gespannt waren Beobachter, ob der Streit um Papst Pius XII. zur Sprache kommen würde. Gemeindepräsident Riccardo Pacifici sprach ihn an. In einer sehr emotionalen Rede ließ er die Geschichte der jüdischen Gemeinde Roms Revue passieren. Mit Tränen in den Augen sprach er vom Großvater, der im KZ umkam. Er würdigte den Einsatz katholischer Ordensleute für versteckte Juden, begrüßte ausdrücklich die eingeladenen Ordensschwestern.

Dann fragte er jedoch auch nach dem "Schweigen" von Pius XII., das heute noch schmerze. Zwar hätte er nicht die Züge in die Gaskammern stoppen können, ein päpstliches Wort der Ermutigung wäre jedoch ein wichtiges Signal gewesen, so Pacifici. Der Papst und seine Begleiter verzogen keine Miene. Man habe die Aussage nicht als konfliktträchtig empfunden, hieß es später in Vatikankreisen. Insgesamt bewerte man den Papstbesuch als Erfolg.

Ähnlich äußerte sich Gastgeber Di Segni: Der Besuch sei "entschieden positiv" und habe zur Entspannung beigetragen. Und man freue sich, dass der christlich-jüdische Dialog weitergehe: Noch am Abend trat der Internationale Gesprächskreis von Vatikan und Jerusalemer Großrabbinat zur nächsten Vollversammlung zusammen.