FAZ 12.04. 2010

Kommunikation hat mit Communio zu tun

In einem Interview mit der FAZ lobt Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck domradio.de als "herausragendes Medienportal, das den Nutzern qualitativ hochwertige Text-, Audio- und Videobeiträge anbietet."

 (DR)

FAZ, 12.4.2010 - Ein frischer Wind weht vom Ruhrgebiet aus durch die katholische Welt, seit im vergangenen Jahr Franz-Josef Overbeck, Jahrgang 1964, zum Bischof der Diözese Essen ernannt wurde. Overbeck ist ein Intellektueller unserer Zeit, der keine Berührungsängste gegenüber den modernen Kommunikationsmitteln hat.

Herr Bischof Overbeck, googeln Sie sich von Zeit zu Zeit?
Ja, dies tue ich regelmäßig.

Und wie kommunizieren Sie mit dem Vatikan? Per SMS und E-Mail?

Für mich ist es selbstverständlich, per SMS und E-Mail zu kommunizieren. Je nach Anlass und Person trete ich aber auch per Brief und Telefon mit unterschiedlichsten Menschen in Verbindung.

Stellt das Internet, das Papst Benedikt XVI. kürzlich mit dem „Vorhof der Heiden" des Jerusalemer Tempels verglichen hat, die letzte große Missionsherausforderung für die katholische Kirche dar?

Es ist und bleibt eine der großen Aufgaben der Kirche, Menschen, die Gott nicht kennen oder ihn vergessen haben, wieder neue Wege aufzuzeigen, Gott zu finden und in die Gemeinschaft der Kirche zu kommen. Auf diesem Weg kann auch das Internet - richtig genutzt - eine gute Hilfe sein. Doch bei aller Bedeutung ersetzt es nicht die unmittelbare Begegnung und das persönliche Lebenszeugnis.

Ist es aber nicht auch Aufgabe der Kirche, eine gewisse Distanz zu dieser beschleunigten Welt und zu ihren Beschleunigern zu halten?
Zu den Menschen zu gehen bedeutet nicht, alles mitzumachen, was Menschen heute umtreibt. In diesem Sinne gehört die Entdeckung der Langsamkeit und des Suchens von Ruhe und Stille zu den Aufgaben der Kirche. Deshalb gilt: Was von Bedeutung ist, das braucht einen besonderen Ort, eine besondere Begegnung und eine besondere Beziehung. Dieses zu pflegen heißt oft, sich in die Distanz zu unserer sich in vielen Beschleunigungsprozessen befindlichen Welt zu begeben.

Priester sollen nun also, so will es Rom, „von den Möglichkeiten der neuen Generation audiovisueller Medien (Foto, Video, Blog, Website) Gebrauch machen". Gibt es dafür überhaupt genug Interesse, Kapazitäten und Kompetenzen in der Priesterschaft?
Es gibt mittlerweile viele Priester und andere im Dienst der Kirche engagiert arbeitende Menschen, die mit großer Selbstverständlichkeit und zugleich Wachheit und Differenzierungsvermögen die modernen Medien nutzen, um die Botschaft des Evangeliums vielen Menschen zu vermitteln. In diesem Zusammenhang haben schon viele, gerade unter den Priestern, die Bedeutung der modernen Medien für die Katechese und so weiter entdeckt und nutzen sie selbstverständlich. Das Interesse ist hoch, Kapazitäten und Kompetenzen gibt es erfreulich viele, dies gehört zur Zeitgenossenschaft der Kirche.

Die Männer Gottes haben die Aufgabe, „dem ununterbrochenen Kommunikationsstrom des Internets eine Seele zu geben". Was meint der Heilige Vater denn damit?
Kommunikation ist mehr als die Vermittlung von Worten, Bildern und einer Vielfalt von Informationen. Kommunikation hat vom Wortsinn her mit „communio", Gemeinschaft, zu tun. Diese zu pflegen und unter ethischen Gesichtspunkten den Menschen dienlich zu machen gehört zu dem, was die Seele des Menschen anrühren kann.

Ist das Internet nicht vielleicht seelenlos, weil es das Medium des absoluten Zweifels ist? Zu jeder Wahrheit findet sich schließlich eine Gegenwahrheit.
Das von Ihnen angesprochene Problem gibt es in jeder Form von Kommunikation, da diese immer medial bedingt ist. Das ist gerade dem Christentum als Religion des Logos bewusst. Der Zweifel ist im Übrigen kein Feind des Glaubens, sondern gehört dazu. Unter den heutigen Bedingungen geht die christliche Botschaft zudem immer durch das kritische Moment des Zweifels im Sinne einer Gegenprobe. Doch sind wir Christen freilich davon überzeugt, dass die Wahrheit des Evangeliums jeder Gegenprobe standhält.

Allerdings wirkt das Internet in großen Teilen nicht nur laizistisch, sondern dezidiert antireligiös. Kann man dagegen noch ankommen?
Die Welt des Internets bietet einen deutlichen Hinweis auf die Vielschichtigkeit und Meinungsvielfalt, in denen sich jeder Mensch heute bewähren muss. Die Kirche selbst hat im Lauf ihrer Geschichte viele Phasen durchlebt, in denen sie dezidiert antireligiösen, antichristlichen und antikirchlichen Bewegungen standhalten musste und diese von innen her überwinden konnte. Auf diese Kraft der Wahrheit des Evangeliums setzt die Kirche und setze ich auch heute mit großer Selbstverständlichkeit.

Es gibt ja auch schon länger Versuche, Schritt zu halten. Ihr Essener Bistum twittert fleißig. Das Kölner Erzbistum hat die Plattform „medien-tube" ins Leben gerufen, die „eine Art katholisches Youtube" sein soll. Zu sehen sind Predigtmitschnitte, die Abrufzahlen sind meist nicht einmal dreistellig. Dagegen wurde die Pressekonferenz, die Sie nach Ihrer Ernennung zum Diözesanbischof gegeben haben, bei Youtube schon mehrtausendfach angesehen. Ist es also wichtiger, sich in die bestehenden Strukturen einzubringen, als parallele aufzubauen?

Das ist eine Frage der Medienstrategie. Letztlich ist im Internet jedes Angebot nur einen Klick vom nächsten entfernt. Es ist daher sicher ratsam, verschiedene Plattformen zu nutzen und sich nicht nur auf einen Anbieter zu beschränken. So haben wir beispielsweise auch Videos in das Medien-Tube-Portal des Erzbistums Köln eingestellt. Auch muss man sehen, dass selbst bei einem Portal wie Youtube das Gros der Filme zumeist nur geringe Abrufzahlen aufweist. Im Übrigen hat sich das Kölner Domradio aus Sicht nicht nur des Ruhrbistums zu einem herausragenden Medienportal entwickelt, das den Nutzern qualitativ hochwertige Text-, Audio- und Videobeiträge anbietet.

Muss aber Öffnung für das neue Medium nicht auch Öffnung für eine mit diesem Medium inzwischen fest verbundene Lebenswelt heißen? Hätte die katholische Kirche dann nicht neue Positionen zu beziehen in manchen Bereichen, etwa beim Thema Sexualität?
Die katholische Kirche steht mit ihrer Verkündigung mitten im Leben. Aus guten und mit dem Evangelium und der Tradition unserer Kirche verbundenen Gründen nehmen wir zu wesentlichen Lebensthemen sehr eindeutige Positionen ein. Es ist eine Chance, die Medien zu nutzen, um gerade in dem von Ihnen angesprochenen Bereich der Sexualität Positionen zu beziehen, die der Würde des Menschen auf Dauer und dem Wohl der Gesellschaft und Vergemeinschaftung aller Menschen am meisten dienen. Hierüber gilt es in einen immer wieder deutlichen Diskurs einzutreten, ohne die klaren Positionen zu verwischen.

Wäre in Zukunft auch ein ökumenisches Webangebot denkbar?
Die Themen der Ökumene werden sicherlich eine Rolle spielen ebenso wie die wichtigen Fragen des Dialoges der Religionen. Dabei sind die jeweiligen Standpunkte gut zu beachten. Nur so kann Ökumene wie auch der Dialog der Religionen sinnvoll und zukunftsweisend sein. Im Übrigen sind wir weiter, als Sie denken. So gibt es ja zum Beispiel eine gemeinsame Plattform der katholischen und der evangelischen Kirche, die deutschlandweit über Angebote zu Weihnachts- und Ostergottesdiensten informiert.

Es geht voran! Wann werden Sie also nun mit dem Bloggen beginnen?
Einen konkreten Termin kann ich Ihnen wenige Wochen nach meinem Amtsantritt als Ruhrbischof noch nicht nennen. Bloggen, nur um dabei zu sein, ist meine Sache jedenfalls nicht. Ich denke aber, dass Sie von mir lesen werden.

Die Fragen stellte Oliver Jungen.