Zur Fußball-WM startet Südafrikas Kirche eine neue Initiative

Rote Karte für Menschenhandel

Keine zwei Monate mehr sind es bis zur Fußball-WM in Südafrika. Nicht alle blicken dem Großereignis entgegen. Menschenrechtler befürchten, dass die moderne Form der Sklaverei zur WM sprunghaft ansteigen wird. Besonders besorgt sind sie um die Kinder des Landes.

Autor/in:
Katrin Gänsler
 (DR)

Es ist ein ernstes Gesicht, das auf einem der unzähligen Plakate zur südafrikanischen Fußball-Weltmeisterschaft zu sehen ist. Keine ausgelassene Stimmung, keine Fröhlichkeit, wie sonst überall, wenn es um das Sportereignis des Jahres 2010 geht. Stattdessen streckt ein junger Mann in gelbem Trikot der südafrikanischen Nationalmannschaft, die klangvoll "Bafana Bafana" gerufen wird, eine rote Karte in den düsteren Himmel. "Weg mit dem Menschenhandel" steht darauf.

Diese Sorge treibt auch die irische Ordensschwester Melanie O'Connor um. Seit Anfang 2008 organisiert sie für die Südafrikanische Konferenz der Ordensoberen und die Südafrikanische Bischofskonferenz Projekte, die helfen sollen, dem Handel mit Menschen so schnell wie möglich ein Ende zu bereiten. Konkrete Zahlen hat sie zwar nicht, doch durch ihre Arbeit erlebt sie täglich, wie tiefgehend und verworren das Problem ist: Junge Frauen und Männer, die als Hausmädchen oder Farmarbeiter verkauft werden oder in Porno-Filmen mitspielen müssen. Besonders besorgt ist sie gut zwei Monate vor Beginn des sportlichen Großereignisses jedoch um die Kinder Südafrikas. Sie könnten sie während der WM zu Arbeit oder Prostitution gezwungen werden.

Geschäft, das bei jeder Großveranstaltung in Südafrika boomt
Es ist ein Geschäft, das bei jeder Großveranstaltung in Südafrika boomt. Allerdings rückt es seit ein paar Monaten am Kap der guten Hoffnung immer häufiger ins öffentliche Bewusstsein. "Anfang des Jahres sind 50 Mädchen aus Lesotho in einer Garage entdeckt worden", sagt Schwester Melanie. Die jungen Frauen waren illegal im Land. Ihre Pässe behielt die "Big Mama", eine mächtige Frau, die somit alle Betroffenen unter ihrer Gewalt hatte. "Wir vermuten, dass Big Mama sie unter anderem als Haushaltshilfen verkaufen wollte."

In Durban, einem beliebten Urlaubsort am Indischen Ozean, sorgte jüngst ein weiterer Fall für Schlagzeilen. Dort soll ein Ehepaar Frauen aus Thailand nach Südafrika gebracht und zur Prostitution gezwungen haben. Der Fall soll nun vor Gericht gehen. Keine Selbstverständlichkeit, wie die Ordensfrau meint. Zwar gebe es bislang genügend Gesetzesgrundlagen, um die Täter zu verurteilen, doch eine eigene Vorschrift gegen Menschenhandel gebe es nicht. Das könnte sich in den kommenden Monaten ändern. "Wir hoffen, dass das Parlament der neuen Gesetzesvorlage zustimmt", sagt Schwester Melanie.

"Sie müssen kooperieren"
Doch ob das die Täter abschreckt? Ihre Methoden scheinen sich ständig zu wandeln - und immer skrupelloser zu werden. Dazu kommt, dass kriminelle Vereinigungen immer häufiger aus dem Umfeld der Opfer stammen, wie die Ordensfrau berichtet. Es seien oft armselige Viertel, in denen Menschen für ein bisschen Geld zu vielem bereit seien. Immer wieder würden arbeitslose Jugendliche angeheuert, die Mädchen von der Straße entführten. "Es gibt Gerüchte, dass ihnen 20.000 Rand - umgerechnet gut 2.000 Euro - versprochen werden."

Viele der weiblichen Opfer würden zudem gezwungen, selbst Täter zu werden: Wenn man sie nach einiger Zeit freilasse, müssten sie als Gegenleistung ein neues Mädchen bringen. Dabei stünden sie unter massivem psychischem Druck: "Wenn du dieses und jenes nicht machst, holen wir uns deine Tochter", sei eine beliebte Drohung. "Sie müssen also kooperieren", berichtet Schwester Melanie.

Ihre Möglichkeiten im Kampf gegen das Problem sind begrenzt. Gerne hätte sie für die WM ein weiteres Plakat drucken lassen, die Vorlage war schon fertig. Darauf ist ein Mädchen zu sehen, das auf einem riesigen Fußball sitzt. "Davon sind vor allem Frauen beeindruckt." Doch für den Druck fehlte schlicht das Geld. Immerhin ist das andere Plakat extrem gefragt, viele Nichtregierungsorganisationen wollten es haben und aufhängen. Schwester Melanie ist sich sicher: "Das Problembewusstsein ist geweckt."