Argentinien leidet immer noch unter den Folgen des Staatsbankrotts vor acht Jahren

Schulden und Armut

Mit internationaler Hilfe soll das überschuldete Griechenland vor einem Staatsbankrott bewahrt werden. Die Argentinier haben es vor acht Jahren erlebt, dass ihr Staat seine Zahlungsunfähigkeit erklärte. Bis heute leidet das Land unter den Folgen.

Autor/in:
Jürgen Vogt
 (DR)

Es waren dramatische Monate mit Plünderungen, Massendemonstrationen, Generalstreiks und blutigen Zusammenstößen. Mehrere Präsidenten traten zurück, Beamtengehälter wurden gekürzt und Konten eingefroren. Aufgebrachte Menschen stürmten Banken und zertrümmerten Geldautomaten.

Der Schuldenberg des südamerikanischen Landes ist immer noch enorm. Für 2008 wurden die Auslandsverbindlichkeiten mit rund 145 Milliarden US-Dollar beziffert. Für den argentinischen Wirtschaftsexperten Eduardo Marcelo Kohan besteht zur Krise in Griechenland dennoch ein großer Unterschied: Als Mitglied der Eurozone verfüge Griechenland über keine eigene Währung und könne folglich auch keine eigene Währungspolitik machen. Argentinien zum Beispiel habe nicht alle Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) befolgt.

Rückblende
In den Jahren der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 stieg die argentinische Auslandsverschuldung von 8,3 auf 45 Milliarden Dollar. 1999 erreichte die Verschuldung eine Höhe von über 120 Milliarden Dollar. Argentinien schlitterte in die schlimmste Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Auf derem traurigen Höhepunkt wurde Präsident Fernando de la Rúa im Dezember 2001 aus dem Amt gejagt.

Die Krise traf die Bevölkerung mit voller Wucht. Am 1. Januar 2002 erklärte der neue Präsident Eduardo Duhalde das Land für zahlungsunfähig. Er stellte sämtliche Zins- und Tilgungszahlungen ein und koppelte den Peso-Kurs vom Dollar ab. Bis dahin war der Kurs künstlich bei 1:1 gehalten worden. Danach stürzte die argentinische Währung im freien Fall auf 4:1 und pegelte sich dann bei 3:1 ein. Binnen weniger Wochen verlor der Peso rund 70 Prozent seines Wertes. Heute zahlt man rund 3,80 Peso für einen Dollar.

Die Wirtschaftsleistung schrumpfte um dramatische elf Prozent. Einige Branchen wie das Bauwesen brachen sogar mit über 40 Prozent ein, den Handel und die Banken traf es mit minus 25 Prozent. Der IWF empfahl Privatisierungen und Sozialkürzungen. Rund die Hälfte der 40 Millionen Argentinier rutschte in den Folgemonaten unter die Armutsgrenze. Jeder fünfte wurde offiziell arbeitslos.

Langsam wieder Erholung
Nach der mühseligen Talsohle setzte langsam wieder eine Erholung ein. Die Wirtschaft wuchs 2004 bis 2007 mit jährlichen Wachstumsraten von sieben und neun Prozent. Nicht nur der Binnenmarkt erholte sich, auch der Warenexport hatte wegen der Abwertung des Peso wieder Fahrt aufgenommen. Dabei profitierte Argentinien vom Anstieg der Weltmarktpreise für Soja, Weizen und Rindfleisch.

Doch dann trübte die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise auch in Argentinien das Bild. Im Jahr 2009 wurde offiziell nur noch knapp ein Prozent Wachstum registriert, unabhängige Ökonomen errechneten sogar einen Rückgang um drei Prozent. Für das laufende Jahr wird ein Zuwachs um etwa drei Prozent erwartet.

Besorgt sind die Finanzfachleute außerdem wegen der auf fast acht Prozent gestiegenen Inflationsrate. Auf sozialem Gebiet sind zurzeit wenig Fortschritte in Sicht. Noch immer leben 20 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Die liegt für eine vierköpfige Familie bei rund 300 Dollar im Monat.

Handlungsspielraum bewahrt
Auch mit den Altschulden hat Argentinien noch zu tun: Anfang 2005 machte der damalige Staatspräsident Néstor Kirchner privaten Gläubigern ein Umschuldungsangebot. Die Anleger sollten einen Verlust von rund 75 Prozent ihrer Forderungen hinnehmen. Dabei ging es um eine Schuldensumme von 100 Milliarden Dollar. Drei Viertel der Gläubiger akzeptierten das Angebot. Heute, fünf Jahre später, präsentiert die Regierung von Cristina Kirchner den anderen eine neue Offerte.

Trotz aller sozialen und wirtschaftlichen Einbrüche hat sich Argentinien einen gewissen Handlungsspielraum bewahrt. Ende 2005 löste sich das Land zum Beispiel durch eine vorzeitige Rückzahlung von 9,8 Milliarden Dollar von der Dominanz des IWF.