Erzbischof Zollitsch über das Großereignis Ökumenischer Kirchentag

"Eine wichtige Wegmarke"

Der Countdown läuft: In einer Woche beginnt der Ökumenische Kirchentag in München. Im Interview: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erbzischof Robert Zollitsch, über einen Kirchentag im Zeichen der Missbrauchsdebatte, seine Erwartungen an das Treffen und die Lage der Ökumene.

 (DR)

ddp: Herr Erzbischof, welches Signal erhoffen Sie sich vom 2. Ökumenischen Kirchentag?
Zollitsch: Dass der Ökumenische Kirchentag zu einem sichtbaren Zeichen eines lebendigen christlichen Glaubens wird, zu einem Zeichen dafür, dass es - trotz aller Sorgen, Krisen und Katastrophen - Hoffnung gibt für uns Menschen und diese Hoffnung gründet in der Botschaft des Evangeliums, sie wurzelt im Glauben an Jesus Christus.

ddp: Warum sollen Gläubige am ÖKT teilnehmen?
Zollitsch: Das Leitwort des Kirchentags gibt selbst die Antwort: "Damit ihr Hoffnung habt". Diese Zuversicht aus dem Glauben an Gott braucht es gerade in einer so schnelllebigen, von vielfältigen Umbrüchen und Vertrauensdefiziten geprägten Zeit wie der unsrigen. Auf dem ÖKT wollen wir uns der christlichen Hoffnung vergewissern, sie gemeinsam bezeugen und uns gegenseitig ermutigen. Der Kirchentag ist eine großartige Chance, den persönlichen Glauben in der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen zu stärken. Und im Übrigen sind suchende, fragende und nicht-gläubige Menschen ebenso herzlich willkommen.

ddp: Welche Impulse für die Ökumene können vom ÖKT ausgehen?
Zollitsch: Der wichtigste Impuls ist: Wir Christen - gleich welcher Konfession - gehören zusammen, wir kennen unseren Auftrag und geben gemeinsam davon Zeugnis. Das bedeutet nicht, dass Unterschiede verschwiegen werden. Im Gegenteil: Viele Veranstaltungen werden ganz gezielt theologische Fragen aufgreifen und auch den Unterschieden, die uns trennen, nachgehen. Ich bin sicher: Der Kirchentag ist eine wichtige Wegmarke der Vergewisserung auf dem langen ökumenischen Weg zur Einheit, für den er zweifellos Impulse geben und neue Kräfte wecken kann.

ddp: Gibt es eine Veranstaltung des ÖKT, die für Sie besonders heraussticht?
Zollitsch: Das mehrere hundert Seiten starke Programmbuch ist eine Fundgrube von interessanten Möglichkeiten und vielfältigen Angeboten. Entscheidend ist, dass wir offen und zugleich respektvoll miteinander umgehen. Gerade die geistlichen Impulse des ÖKT sind dabei sehr bereichernd, damit wir den Glauben nicht nur analysieren und bedenken, sondern auch feiern und vor Gott bringen.

ddp: Inwieweit befürchten Sie, dass - wie beim 1. ÖKT in Berlin - in der Öffentlichkeit insbesondere über das Trennende gesprochen wird: die Unmöglichkeit des gemeinsamen Abendmahls?
Zollitsch: Ja, die Trennung am Tisch des Herrn hält an und schmerzt. Katholiken und Protestanten haben ein unterschiedliches Verständnis. Das darf uns nicht passiv werden lassen. Natürlich wird die Frage der Eucharistie und des Abendmahls beim ÖKT eine Rolle spielen in den Gesprächen und in der öffentlichen Wahrnehmung. Aber wir wollen - Katholiken und Protestanten - den ökumenischen Partner weder vereinnahmen noch überfordern.

ddp: Haben Sie Sorge, dass die Missbrauchsdebatte den ÖKT thematisch überschatten könnte?
Zollitsch: Es ist gut, dass die Leitung des ÖKT zwei Veranstaltungen zum Thema Missbrauch kurzfristig in das Programm aufgenommen hat. Beide Veranstaltungen sind so angelegt, dass sie den gesamtgesellschaftlichen Diskurs berücksichtigen. Damit ist das Thema präsent und kann aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Es sollte aber ein Thema unter vielen wichtigen Themen bleiben.

ddp: Halten Sie den Zeitpunkt des ÖKT angesichts der Missbrauchsdebatte für ungünstig oder gerade für eine Chance?
Zollitsch: Der ÖKT ist von langer Hand geplant. Aktuelle Entwicklungen hat man nicht in der Hand. Insofern sollten wir den Kirchentag als Chance erkennen, um den Blick für wichtige Themen zu weiten, Themen die in den letzten Wochen leider auch vergessen wurden. Ich denke etwa an Fragen wie die alternde Gesellschaft, die hohe Staatsverschuldung, Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit und Frieden.

ddp: Zwischen den großen Kirchen gab es in den vergangenen Jahren schwere Verstimmungen. Wie steht es um die Ökumene in Deutschland?
Zollitsch: Besser als viele denken. Die Spannungen, gerade aus dem letzten Jahr, sind überwunden und wir schauen zuversichtlich nach vorne. In den Gemeinden, aber auch auf Ebene der Bistümer und Landeskirchen geschieht viel. Gerade das Gespräch zwischen der EKD und der Bischofskonferenz ist unverzichtbar. Das wissen beide Seiten. Wir können nur gemeinsam, nicht aber auf Kosten des jeweils anderen stark sein.

ddp: Es gibt Stimmen in der EKD, die Papst Benedikt XVI. dafür verantwortlich machen, dass der ökumenische Prozess ins Stocken gekommen sei. Wie sehen Sie die Rolle des Papstes in dieser Frage?
Zollitsch: Der Papst kommt aus dem Land der Reformation. Ihm ist seit Anfang seiner theologischen Arbeit die Einheit der Christen ein großes Anliegen. Das wurde auch in der ökumenischen Begegnung gleich bei seinem ersten Deutschlandbesuch als Papst deutlich und zeigte sich nicht weniger, als er vor ein paar Wochen die deutschsprachige evangelisch-lutherische Gemeinde Roms besucht hat. Natürlich stoßen sich viele evangelische Gesprächspartner am Amtsverständnis des Papstes. Aber wir müssen diese Differenzen ehrlich besprechen. Den jüngsten Vorschlag des badischen Landesbischofs Dr. Ulrich Fischer fand ich bemerkenswert, als er einen Ehrenprimat für den Papst vorschlug.

Interview: Petr Jerabek